Wuppertaler Geschichte Als sich das Bürgertum für den Kommunismus interessierte
Wuppertal · Friedrich Engels und Moses Hess in Elberfeld 1845.
„Man wird finden, dass das Land bei hohen Löhnen prosperiert. Wenn sie niedrig sind, leiden alle Klassen, von der höchsten bis zur niedrigsten, in besonderem Maße aber das Fabrikanteninteresse. Denn Lebensmittel müssen als erstes gekauft werden, und nur der Rest des Arbeitslohnes kann für Fabrikprodukte ausgegeben werden. Es ist daher wesentlich im Interesse des Fabrikunternehmers, daß die Arbeitslöhne hoch sein sollten.“ So rief schon in der Frühphase des Kapitalismus um 1818 der damals populäre englische Sozialreformer Robert Owen britischen Fabrikunternehmern zu. Wobei das Adjektiv „früh“ allerdings eher auf die kontinentale Entwicklung, insbesondere im damals industriellen Entwicklungsland Preußen/Deutschland zutraf.
In Sachen Industrialisierung waren die Engländer dem Rest Europas nämlich meilenweit voraus. Der Barmer Unternehmersohn Friedrich Engels hatte die sozialrevolutionäre englische Arbeiterbewegung und deren „Strikes“ für bessere Löhne während seines Aufenthaltes im Familienunternehmen Ermen & Engels in Salford bei Manchester um 1842 kennen- und schätzen gelernt.
Hohe Löhne, so hatte er verstanden, dämpfen nicht nur die soziale Not des Proletariates, sie sind auch ein Motor der kapitalistischen Entwicklung und der Modernisierung. Für diese verlockende Botschaft musste es doch auch ein Publikum in der Heimat geben.
Zusammen mit Moses Hess, dem Herausgeber des damals unter Arbeitern populären „Gesellschaftsspiegel“, einer von Julius Baedecker in Elberfeld verlegten Zeitschrift „zur Vertretung der besitzlosen Volksklassen und zur Beleuchtung der gesellschaftlichen Zustände der Zeit“, trat er 1845 vor Ort in drei Veranstaltungen auf, die der kommunistischen Idee im Tal erhöhte Aufmerksamkeit verschaffen wollte. Schließlich war im sogenannten „deutschen Manchester“ die Industrialisierung in Deutschland noch am weitesten vorangeschritten.
Die Veranstaltungen „im größten Saale und ersten Gasthof der Stadt“ (so Friedrich Engels in einem Brief an Karl Marx) zogen dann auch immerhin 370 Menschen an, bevor eine bereits angekündigte vierte Versammlung vom Elberfelder Oberbürgermeister persönlich unter Strafandrohung verboten wurde. Das erstaunte Publikum bestand vornehmlich aus der besseren Gesellschaft der Stadt, aus bürgerlichen Honoratioren und Unternehmern. Engels schlug seinen Zuhörern zur Linderung der grassierenden Armut unter anderem die Einrichtung von Armenkolonien nach dem Muster des englischen Sozialisten Robert Owen vor. Arbeiter fehlten bei diesen Vorträgen. Unklar, warum sich ausgerechnet das großbürgerliche Publikum im Wuppertal plötzlich für den Kommunismus interessierte.
Tatsächlich waren also diese ersten Organisationsversuche nur sehr begrenzt erfolgreich, stellten die Akteure doch fest, dass ihre eigentliche Zielgruppe, das örtliche Proletariat, an kommunistischen Versammlungen wohl eher desinteressiert schien. Viel später sah das Gustav Mayer, der erste Biograf von Friedrich Engels, dann völlig anders, als er diese Zusammenkünfte in Elberfeld nämlich als die »frühesten sozialistischen Versammlungen auf deutschem Boden« überhaupt bezeichnete und ihren besonderen Pioniercharakter betonte. In den Maitagen 1849 standen dann Teile eben dieser an Vorträgen doch so desinteressierten Elberfelder Arbeiterschaft auf den Barrikaden und kämpften für eine demokratische Verfassung, für Arbeit und bessere Löhne.