Offen gesagt Alternativlos

Es sah so gut aus. Irgendwie ist es gelungen, dem NRW-Wirtschaftsministerium vermutlich durch Winken mit einer perfekt gegarten Peking-Ente einen Zuschuss von fast fünf Millionen Euro aus dem Kreuz zu leiern.

Wuppertal

Foto: yes/Schwartz, Anna (as)

Alle Signale standen auf Grün. Aber Wuppertal wäre nicht Wuppertal, wenn es danach einfach bliebe. Erst steigen die Baukosten, dann steigt das Wasser und schließlich steigt die Stadtverwaltung - allerdings aus. Der Aufstieg des Historischen Zentrums in Barmen mit Engelshaus und China Welcome Center droht abgesagt zu werden. Das liebe Geld dreht der Stadt womöglich mal wieder einen Strick. Das Geld. Oder fehlt es auch an Leidenschaft für das Projekt? Schließlich geht es um Friedrich Engels, den verwöhnten Fabrikantensohn, den Bonvivant mit sozialem Gewissen, der auszog, das Proletariat zu befreien und den Arbeitern in den Fabriken der Turbokapitalisten ein wenig Würde zurückzugeben. Ein Salonsozialist, sagen die einen, ein moderner Vordenker, sagen die anderen. Auf jeden Fall aber ein Mensch, über dessen Leben und Wirken zu reden lohne. Erst recht im Tal der Wupper, wo vor 199 Jahren die Wiege des Knaben stand.

Auch deswegen hat sich der Stadtrat, angetrieben von der SPD, entschlossen, Haus und Museum am Engelsgarten sanieren zu lassen, deshalb soll in einem Verbindungsbau ein China Welcome Center entstehen, in dem und durch das Wuppertal seine noch immer zarten Kontakte ins Wirtschaftsreich der Mitte verstärken will

Aber nun steht der Verbindungsbau zur Disposition, und damit das ganze Projekt, das Wirtschaft, Kultur und Bildung in dieser Stadt nutzen soll. Wuppertal scheint einmal mehr ein Opfer seiner größten Schwäche zu werden. Wo kein Geld ist, da ist auch keine Entwicklung. Das Rathaus ist Kummer gewohnt. Und je länger das Leben im Defizit dauert, desto einfacher scheint es zu werden, fatale Entscheidungen zu treffen.

Denn es wäre schlicht fatal, baute Wuppertal dieses Historische Zentrum nicht aus. Es wäre ein verheerendes Signal, ausgerechnet in  Barmen, ausgerechnet am Engelsgarten das Messer in der Sau stecken zu lassen. Wenn die schönen Pläne in der Schublade verschwinden, dann werden sie nie wieder zum Vorschein kommen, dann hat Wuppertal eine Chance verpasst, die der SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Klaus Jürgen Reese, zurecht als einmalig bezeichnet. Dieses Zentrum wäre die perfekte Ergänzung zum Opernhaus, zum Barmer Bahnhof und zum Theater am Engelsgarten. In Barmen entstünde eine Kulturinsel, um die viele andere Städte Wuppertal beneideten. Das Historische Zentrum hätte mehr denn je die Chance, als spannender außerschulischer Lernort zur Allgemeinbildung und zum Geschichtsbewusstsein junger Wuppertaler beizutragen.

Aber nicht nur das. Wenn Wuppertal das Engelszentrum jetzt nicht zumindest sehr annähernd nach den beschlossenen Vorgaben errichten  wird, dann ist noch mehr die Frage erlaubt, warum mannstarke Wirtschaftsdelegationen regelmäßig nach China reisen, um dort bei superreichen Unternehmern und einflussreichen Parteibonzen gut Wetter für Wuppertal zu machen. Es ist wenig konsequent, sich als Zeichen vermeintlich tiefer  Verbundenheit ein albernes Engelsdenkmal in den Garten stellen zu lassen, um den Chinesen dann zu zeigen, dass es mit dem Interesse doch nicht so weit her ist. Mindestens ebenso verstörend müsste so eine Entscheidung für die Landesregierung sein. Es ist doch anständig, dass der Wirtschaftsminister den Wuppertalern die Idee vom China Welcome Center abgenommen hat und für dessen Errichtung fast fünf Millionen Euro überweisen will. Mag sein, dass sich der Landesfinanzminister über die Rücküberweisung freute. Alle anderen relevanten Ministerien dagegen werden Förderanträge aus Wuppertal künftig vermutlich im Papierkorb ablegen. Warum aufs Ei warten, wenn das Huhn doch sowieso nur gackert?

Wenn in der Politik jemand eine Entscheidung „alternativlos“ nennt, schüttelten Oppositionelle den Kopf und verdrehen Germanisten die Augen. Alternativen gebe es doch schließlich immer. Das mag sein. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Die etwa 14 Millionen Euro für das Historische Zentrum sind alternativlos. Auch, aber bei weitem nicht nur, weil Friedrich Engels im nächsten Jahr 200. Geburtstag gefeiert hätte.