Wuppertaler Kultur Pina Bausch: Geschichten aus zehn Jahren Archivarbeit

Das Archiv verwaltet das Erbe der Tänzerin und Choreografin.

Ismaël Dia ist Leiter des Pina Bausch-Archivs.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Am 30. Juni jährt sich der Tod von Pina Bausch zum zehnten Mal. Während ihre Kompagnie weiter tanzt, hat die Pina Bausch Foundation unter der Leitung von Salomon Bausch es sich zur Aufgabe gemacht, das künstlerische Erbe der Choreografin zu erhalten. Doch wie lässt sich performative Kunst konservieren? Das ist Aufgabe des Archivs, dessen Team Dokumente aller Art über das Schaffen Pina Bauschs bewahrt und sukzessive digitalisiert – von ihrer Zeit als aktive Tänzerin Ende der 1960er Jahre bis hin zu den weltweit umjubelten Auftritten des Tanztheaters.

So vielfältig das Werk der Wuppertalerin ist, so steril präsentiert es sich in den Räumlichkeiten des Archivs: Hinter UV-Schutzfolien lagern in drei klimagesteuerten Räumen rund 200 000 Bilder von 150 Fotografen und 9000 Videos auf VHS- und U-Matic-Kassetten, Plakate, Bücher und Ordner in hohen Aktenschränken. Die Fotografien von Ulli Weiss, die das Tanztheater über viele Jahre begleitet hat, gingen nach ihrem Tod in den Besitz der Foundation über.

Auch Pina Bauschs private Sammlung ist hier eingelagert

„Das ist für uns ein großer Schatz“, betont Archivleiter Ismaël Dia, während er sich weiße Stoffhandschuhe überstreift, um einige Bilder aus einer Schatulle zu nehmen. Auch Pina Bauschs private Sammlung ist hier eingelagert: Ihre eigene Auswahl aus Fotografien all ihrer Stücke. „Das ist die interessanteste Sammlung, weil es ihr Blick auf die Dinge ist“, so Oliver Gladys, der für die Digitalisierung der Bilder zuständig ist.

Die technischen Möglichkeiten sind dabei eine enorme Hilfe: Wurde ein Tänzer auf mehreren Fotos markiert, greift die Gesichtserkennung und schlägt den Namen bei weiteren Bildern automatisch vor. Etwa 25 Prozent des Bestands wurden bereits digital erfasst. Aufschluss über die Stückauswahl und Besetzungen von Gastspielen auf der ganzen Welt geben alte Programmhefte, verfasst auf unterschiedlichsten Sprachen. „Das war eine Herausforderung“, erinnert sich Clara Bauer, die diese gesichtet hat und nun Daten zum Kostümfundus einpflegt.

All diese Informationen sollen mit der Zeit einer digitalen Datenbank zukommen, die das Archiv in Zusammenarbeit mit der Hochschule Darmstadt aufgebaut hat. Eine Arbeit, die nie vollständig abgeschlossen ist, da das Tanztheater ständig neues Material nachliefert. „Solange die tanzen, wird das immer ‚work in progress‘ sein“, so Bauer.

Der Kompagnie dient das Archivmaterial als Arbeitsgrundlage für die Neueinstudierung älterer Stücke: Die Regiebücher, in denen jede einzelne Szene beschrieben ist, liefern das „Skelett des Stücks“, während die Foto- und Videoaufnahmen Aufschluss über das Bühnenbild, die Kostüme und die Beleuchtung geben. „Pina war ein großer Detailmensch“, so Dia. Um ihr späteres Werk zu verstehen, sei jedoch auch ihre Studienzeit von Bedeutung, die im Arbeitsbereich Oral History mit Hilfe von Interviews mit Wegbegleitern, Lehrern, ehemaligen und aktiven Mitgliedern des Tanztheaters aufgearbeitet wird.

Momentan betreibt die Foundation noch ein reines Arbeits- und kein Besuchsarchiv. Mit dem Pina Bausch Zentrum im ehemaligen Schauspielhaus könnte sich das allerdings ändern. Dias Wunsch: Das Wissen, das im Pina Bausch Archiv schlummert, öffentlich zugänglich zu machen – sei es aus wissenschaftlichem oder privatem Interesse. Das hat allerdings auch seine Grenzen. „Der Bestand des Archivs ist sehr nah an ihrem Privatleben“, erklärt Dia, und dieses gelte es zu schützen: „Archivöffnung bedeutet nicht Black Friday.“