Analyse: Von Millionen, der Krise und Verträgen – die keiner kennt

Analyse: Die Finanzkrise wird immer schlimmer und der Wuppertaler Partner AIG gerät in immer größere Not. Was droht der Stadt?

Wuppertal. Der Wuppertaler Partner und US-Versicherungskonzern AIG ist offenbar in einer schlimmeren Lage, als bisher bekannt war. Der riesige Versicherungskonzern braucht noch mehr Geld, um nicht insolvent zu werden. AIG bekommt nun sage und schreibe 90 Milliarden Euro von der US-Notenbank FED, um zu überleben. Muss die Stadt doch finanzielle Verluste schultern, die durch die sogenannten Cross-Border-Leasing Geschäfte verursacht werden? Was geschieht, wenn AIG insolvent wird, alleine für das Kanalnetz liegt derzeit ein Depot von 50 Millionen US-Dollar bei der AIG.

In einer Erklärung der Stadt, der Abfallwirtschaftsgesellschaft und der Wuppertaler Stadtwerke hatten diese noch vergangene Woche behauptet, dass ihre Cross-Border-Leasing-Geschäfte von den Turbulenzen unberührt blieben.

Das ist definitiv nicht der Fall. Wie die WZ berichtete, haben die drei Unternehmen ihre Millionentransaktionen von dem us-amerikanischen Versicherungsriesen AIG absichern lassen. In den Verträgen ist vereinbart, dass die Versicherungsgesellschaft, in diesem Fall also die AIG, neue Angebote zur Absicherung der Leasinggeschäfte anbieten muss, so sie denn ihre Bonität verliert.

Exakt dies ist geschehen, weswegen die AWG bereits europaweit nach einer neuen Versicherung sucht und dieses Angebot ausgeschrieben hat. Es geht immerhin um 380 Millionen US-Dollar, für die 1999 das Müllheizkraftwerk verkauft worden ist. 2023 soll das Kraftwerk zurückgekauft werden - wenn alles nach Plan verläuft. Und genau das ist die Gretchenfrage. Weder die Stadt noch die AWG erklären, wer ihr Geschäftspartner in den Cross-Border-Leasing-Verträgen ist und berufen sich auf Geheimhaltungsklauseln. Fest steht nach Recherchen der WZ jedoch, dass der offizielle Käufer des Müllheizkraftwerks die Wilmington Trust Company ist. Sie sitzt in den Vereinigten Staaten. Hinter diesem Trust stehen das Unternehmen PNC Capital Leasing und die KSP-Investments Inc.. Offenbar fungiert der Wilmington Trust in diesem komplizierten Firmengeflecht als Treuhänder für einen sogenannten AWG Leasing Trust. Adresse: Wilmington Trust Company, Rodney Square North, 1100 North Market Street, Wilmington.

Conrad Tschersich, AWG-Geschäftsführer, auf die Frage nach den Partnern für das Heizkraftwerk.

Damit steht allerdings noch immer nicht fest, wer denn nun derzeit der Eigentümer des Wuppertaler Müllheizkraftwerkes ist. Hinter den genannten Unternehmen stehen zwei us-amerikanische Großbanken, die diese Cross-Border-Leasing-Geschäfte offenbar über die PNC und die KSP abgewickelt haben. Deutlich wird dies anhand einer Klageschrift. Sowohl der AWG-Trust als auch PNC und KSP haben gegen die USA geklagt - und verloren. Offenbar läuft also nicht alles so, wie man das gerne hätte. Auskünfte bei der AWG gibt es keine, Geschäftsführer Conrad Tschersich verweist mit den Worten "Das führt doch sehr weit in die Vertragsgestaltung" auf die Geheimhaltungspflicht.

Was geschieht aber jetzt mit dem Cross-Border-Leasing-Geschäft? Zwei Dinge sind wichtig. Wenn die geheim gehaltenen US-Banken in eine Schieflage geraten drohen der Stadt Wuppertal über die AWG finanzielle Verluste. Gelingt es der AWG nicht, die Versicherung dieser Geschäfte mit anderen Gesellschaften zu gleichen Konditionen abzuschließen, drohen auch in diesem Fall Verluste. Aber: Diese müssen gegen gerechnet werden, immerhin haben die AWG und die Stadt Millionenbeträge als Barwertvorteil bei Abschluss der Leasinggeschäfte erhalten, wie Kämmereileiter Alfred Lobers erklärt.

Was geschieht eigentlich, wenn die Eigentümer insolvent werden? Befinden sich dann das Kanalnetz und das Müllheizkraftwerk in der Insolvenzmasse?

Johannes Slawig, Kämmerer

Was ist, wenn die abgesicherten Gelder zum Rückkauf plötzlich in die Insolvenzmasse gehen, weil die AIG-Versicherung Pleite geht - diese Gelder fehlen dann, wenn das Kraftwerk oder das Kanalnetz zu den festen Terminen zurückgekauft werden müssen. Muss die Stadt dann neue Kredite aufnehmen? Muss der Bürger dies bezahlen? Es ist vertraglich festgelegt, wann die Stadt die Einrichtungen zurückkaufen muss.

Erstaunlicherweise weiß jedoch kaum jemand in Wuppertal exakt, welches Damoklesschwert über den Bürgern und der Stadtkasse schwebt. Die politischen Entscheidungsträger sind kaum informiert und der Kämmerer Johannes Slawig stellt klar: "Ich sage gar nichts!"

Das erscheint umso erstaunlicher, bedenkt man die Summen, um die es geht. Das Kanalnetz ist an den Investor First Union für eine Summe von 400 Millionen US-Dollar verkauft worden. Insgesamt sind also Wuppertaler Vermögenswerte in Höhe von 800 Millionen US-Dollar in die Staaten veräußert worden. Wie schnell solche Geschäfte zu riesigen Verlusten führen könnten, zeigt das Beispiel First Union. Dieses Unternehmen ist eine Tochter der sechstgrößten US-Bank Wachovia. Die ist im Zuge der Immobilienkrise in Schieflage geraten, sollte von der CityGroup gerettet werden - und derzeit streiten sich Citygroup und die US-Bank Wells Fargo, wer die Wachovia ausschlachten darf. Jeder Gedanke, die Stadt Wuppertal dürfe, was ihre Investments betrifft, mitreden, ist mehr als naiv. Der Gerichtsstand für die Leasing-Verträge ist New York.

Dementsprechend aussagekräftig ist die von Slawig getätigte Aussage letzter Woche: "Alles ist im Fluss. Ich weiß im Augenblick nicht, wie es ausgeht."

Der Stadtrat ist als Kontrollgremium nur unzureichend informiert gewesen. "Die Verträge waren alle in englisch und so kompliziert, die hätte doch eh keiner verstanden", sagte ein Stadtverordneter gegenüber der WZ. Und man habe nicht als Querulant gelten wollen.