Wie macht man in Corona-Zeiten Musik?
Interview Songs, die Hirn, Herz und Hose berühren
Wuppertal · Der Wuppertaler bringt seine neue CD inmitten der Corona-Krise heraus. Damit wählt er einen anderen Weg als viele seiner Kollegen aus der Branche.
Der Wuppertaler Andreas Schleicher ist Musiker und Comedian. Bei der Pro-7-Show „The Masked Singer“ ist er als Vocalcoach im Einsatz. Mit der Popolski-Show war er sieben Jahre lang unterwegs. Mit Musikstars wie Jennifer Rush, Sasha und Gentleman hat er zusammengearbeitet. Jetzt veröffentlicht er mitten in der Corona-Zeit sein neues Album „Herz Hirn Hose“. Die WZ sprach mit dem Musiker über die neuen Songs, über schwierige Zeiten und das, was ihm gerade Hoffnung macht.
Andreas Schleicher: Gar nicht – es gab mehr als 100 geplante Auftritte in diesem Jahr. Wegen Corona mussten diese komplett abgesagt werden. Das hat wiederum mehr Zeit für das Album gebracht, das ich jetzt trotz der Krise veröffentlichen werde. Darauf freue ich mich wirklich. Die Songs jetzt herauszubringen, ist mir sehr wichtig, ich möchte damit nicht warten, bis Konzerte wieder möglich sind. Aber dass alles gestoppt wurde, war heftig für mich. Ich hatte zum Glück noch meine Arbeit als Vocalcoach für die Pro7-Sendung „Masked Singer“, die mir hilft, diese schwierige Phase zumindest für eine gewisse Zeit zu überbrücken. Schade ist vor allem, dass ich die gemeinsame Tour mit Bülent Ceylan absagen musste. Da war auch ein Auftritt auf der Hauptbühne in Wacken geplant – mit 100 000 Leuten im Publikum.
Das Album war aber schon vor dem Shutdown fertig?
Schleicher: Musikalisch waren wir mit dem Album durch, auch der Titel stand schon fest. Spannend finde ich, dass einige Songs genau in diese Zeit jetzt passen, obwohl sie schon lange vor der Krise geschrieben worden sind. Bei „Halb so schnell“ geht es beispielsweise um Entschleunigung, bei „Verkriechen“ dreht sich alles ums Zurückziehen, was aber nicht nur negativ belegt ist, und bei „Flaschengeist“ geht es darum, dass man nicht nur draußen nach Antworten sucht, sondern auch in sich selbst. Jeder ist sein eigener Flaschengeist, man muss nur den Hintern hochbekommen und Verantwortung für sein Leben übernehmen.
Wie sah Ihr Rückzug in der Krise aus?
Schleicher: Ich war in Quarantäne, da ich selbst Covid-19 hatte und zu Hause bleiben musste. Zum Glück wohne ich mitten in der Natur und konnte zumindest dort noch Spaziergänge machen, ohne anderen Menschen zu begegnen. Jetzt bin ich immun gegen das Virus, halte mich aber natürlich trotzdem an die Regeln.
Welche Rolle spielt Musik für Menschen in Krisenzeiten?
Schleicher: Dass da jetzt gespart wird, ist doch verrückt. Nur bei der Kunst spricht man von Subventionen, aber nicht bei Lufthansa oder der Automobilindustrie. Dabei ist der Umsatz der Kultur doch ähnlich hoch wie in diesen Bereichen. Unzählige Menschen leben davon und das sind nicht nur die Künstler, sondern auch die Menschen im Hintergrund wie zum Beispiel Techniker. Für die gibt es gerade ein Arbeitsverbot. Es ist tragisch, wie die Künstler von der Politik im Stich gelassen worden sind. Die Leute werden merken, was ihnen mit Kinobesuchen oder Konzerten fehlt. Kultur ist durchaus systemrelevant. Die Menschen brauchen neben ihrer Arbeit den Ausgleich durch die Kultur. Für mich ist der direkte Austausch mit dem Publikum bei den Konzerten pure Energie, die mir jetzt sehr fehlt. Vor zehn Tagen hatte ich mit meiner Band den ersten Auftritt nach Monaten. Das war in ganz kleinem Rahmen, aber es hat uns und unserem Publikum wirklich gutgetan. Die Leute hungern nach Musik und Kultur. Wieder live zu spielen, war eine Befreiung für mich.
Wie kam es zum Titel „Herz Hirn Hose“?
Schleicher: Der Titel drückt das aus, wonach man leben sollte – mit je ein bisschen Herz, Hirn und Hose, wobei Hose hier für das Bauchgefühl steht. Man kann jeden Tag neu wählen, nach welchem der drei Hs man sein Leben ausrichtet oder man kann auch alle drei Dinge gleichzeitig zulassen.
Das bedeutet, dass das Leben im Moment entscheidend ist.
Schleicher: Es gibt nur den Moment und das Jetzt. Die Vergangenheit ist vergangen und die Zukunft ist nur bedingt planbar. Daher sollte man den Moment genießen. Das Leben findet im Moment statt und der ist nur schwer zu entdecken, wenn man immer nur in die geplante Zukunft blickt.
Wie wurden Sie zum Vocalcoach im Fernsehen?
Schleicher: Angefangen habe ich mit zwei Staffeln bei X-Factor und jetzt bin ich bei der zweiten Staffel von „Masked Singer“, eine Sendung, die gerade für den Deutschen Fernsehpreis nominiert wurde und die sehr gute Quoten hat. Das ist eine tolle Erfahrung für mich und aus der Zusammenarbeit mit Bülent Ceylan, Max Mutzke und Gregor Meyle sind freundschaftliche Kontakte entstanden. Gerade war ich noch bei Bülent in Mannheim zur Aufzeichnung eines Podcasts. Er hat auf meinem neuen Album zwei Songs mitgesungen. Er unterstützt mich netterweise, wo er nur kann. Ich konnte als Vocalcoach viel aus ihm herausholen und ihn bis ins Finale bringen. Bülent war eigentlich schon immer ein versteckter Sänger, jetzt lässt er es auch raus. Heute sind wir gute Freunde.
Sie waren selbst schon als Comedian unterwegs?
Schleicher: Ja, ich war sieben Jahre bei der „Popolski-Show“, die auch für den Grimme-Preis nominiert war. Aktuell habe ich das Comedy-Projekt „Bert und Roy“, bei dem ich einen abgehalfterten Showstar aus Las Vegas spiele. Da arbeite ich mit einem Freund zusammen, den ich aus den Zeiten meines Musikstudiums in den Niederlanden kenne.
Was macht Ihnen aktuell Sorgen und was Hoffnung?
Schleicher: Sorgen macht mir dieses ungewisse Warten auf den Zeitpunkt, an dem wieder Konzerte möglich sind und der ist bislang noch nicht absehbar. Hoffnung macht mir jetzt das Album. Ich hoffe, dass es einschlägt und die Songs die Menschen mit Herz, Hirn und Hose berühren.
Die CD „Herz Hirn Hose“ ist für 18 Euro inklusive Porto im Internet erhältlich.