Wuppertal Ansturm im Städtedreieck auf den Kleinen Waffenschein

Die Zahl der Anträge hat sich binnen eines Jahres mehr als versechsfacht. Im Bergischen Land sind fast 26 000 Waffen in Privatbesitz.

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Wuppertal. Das Arsenal der Solinger Reichsbürger hat aufhorchen lassen. Schusswaffen in vielen Variationen, Dutzende von Messer und sogar einen Speer hatten die eingetragenen Sportschützen in ihren Wohnungen in der Nachbarstadt gehortet. Derzeit prüft die Staatsanwaltschaft, ob sie rechtlich dagegen vorgehen kann. Sicher ist das nicht. Sportschützen dürfen Schusswaffen besitzen, Jäger auch.

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Aber immer mehr Bürger im Städtedreieck bemühen sich nun ebenfalls um dieses vermeintliche Privileg. „Sonst haben wir so 300 im Jahr“, beantwortet Markus Gailat von der Kreispolizeibehörde die Anfrage der WZ nach dem Kleinen Waffenschein. Er berechtigt dazu, in der Öffentlichkeit eine Schreckschusspistole zu tragen. Mit Stand von Mittwoch wollen in Solingen, Remscheid und Wuppertal allein in den ersten elf Monaten des Jahres 1927 Bürger von diesem Recht Gebrauch machen.

Hintergrund sind die Übergriffe in Köln in der vergangenen Silvesternacht. Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher sieht das vielfache Ansinnen dennoch kritisch. Das wiederum hat ihr in der jüngsten Vergangenheit böse Briefe eingebracht. Aber mehr Schusswaffen führen nicht zu mehr Sicherheit, ist das Credo der Polizeibehörde. Je mehr Pistolen, Revolver und Gewehre unterwegs sind, desto schlechter, nicht besser.

Im Bergischen Land sind derzeit genau 25 509 Schusswaffen in Privatbesitz, Tendenz steigend. Das dieser Wert anwächst, liegt unter anderem an Sportlern in den Schützenvereinen des Städtedreiecks. Ihnen erlaubt der Staat, pro Halbjahr zwei Waffen zu erwerben. All das wird kontrolliert, notiert und noch einmal kontrolliert.

„Seit Winnenden haben sich die Vorgaben noch einmal verschärft“, sagt Walter Kroh. Er leitet die Schützenabteilung des SV Bayer, der seine Anlage in Aprath hat. In Winnenden hatte ein Jugendlicher mit der Waffe seines Vaters erst 16 Mitschüler und dann sich selbst getötet. Danach brach eine Debatte über das Waffenrecht in Deutschland los. Sie ist noch nicht abgeschlossen. Erste Konsequenzen waren aber, dass Vereine die eigenen Gewehre und Pistolen in schweren, abschließbaren Schränken unterbringen müssen.

Für Walter Kroh ist es auch ohne Gesetzesänderung selbstverständlich, dass die Reichsbürger ihr Arsenal auflösen müssen. „Wenn jemand das deutsche Recht nicht anerkennt, dann ist er nicht zuverlässig. Dann darf er keine Waffe besitzen“, sagt Kroh. Leute wie die Reichsbürger erinnerten ihn „an Karneval“. Ernst nehmen kann er deren Meinung nicht. Die sogenannten Reichsbürger erkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an. Einer von ihnen erschoss in Bayern zuletzt einen Polizisten, um einer Überprüfung zu entgehen.

Grundsätzlich werden Sportschützen in Deutschland in einem Abstand von maximal drei Jahren überprüft. Der Staat will wissen, wer Schusswaffen besitzt und benutzt. Dass die beiden Solinger dabei nicht aufgefallen sind, deutet darauf hin, dass dabei nur Verhalten, nicht aber Gesinnung abgefragt wird.

Dass Schusswaffenbesitz zu mehr Sicherheit führt, glaubt Walter Krah nicht. Genau mit diesem Wunsch treten Bürger nun aber vermehrt an die Kreispolizeibehörde heran. „Wenn ich eine Waffe ziehe, muss ich damit rechnen, dass mein Gegenüber das auch tut. Wenn der dann eine richtige Pistole hat . . .“

Auch Markus Gailat sieht im Kleinen Waffenschein keinen Vorteil. „Sie dürfen die Waffe nur außerhalb von Gebäuden mitführen. Und Sie müssen immer damit rechnen, dass ein Angreifer eine echte Pistole hat.“ Deshalb dürften Juweliere heute keine Schusswaffen mehr besitzen. „Die Erfahrung lehrte, dass Räuber dann eher geschossen haben.“