Artis-Quartett spielt mit viel Emotionen in der Stadthalle
Die vier Musiker aus Wien faszinierten im Mendelssohn Saal mit einer akkuraten Spielweise. Und wurden ihrem guten Ruf damit gerecht.
Wenn sich vier Musiker mit ihren Saiteninstrumenten kontrovers wiewohl einmütig unterhalten, nennt man diese Gruppe Streichquartett. Sie ist die Königsdisziplin der Klassik. Es bedarf einer jahrelangen, intensiven Zusammenarbeit, bis sie zu einer harmonischen Einheit zusammengefunden haben. Denn nur so können die für solche Formationen komponierten Werke mustergültig interpretiert werden. Sprichwörtlich kann man solche Quartette an einer Hand abzählen, die solch einem extrem hohen Niveau genügen und deshalb auf den Konzertpodien der Welt zu Hause sind.
Das Artis-Quartett Wien gehört mit Fug und Recht dazu. Seit seiner Gründung im Jahr 1980 ist es international in Kammermusikkreisen in aller Munde. Nun gastierte es im Rahmen der Reihe „Saitenspiel“ im Mendelssohn Saal der Stadthalle und wurde seinem vorauseilenden guten Ruf in allen Belangen gerecht. Die Stadt Wien war Thema des Abends.
Nicht nur das Artis-Quartett, auch die Komponisten Fritz Kreisler und Karl Weigl stammten von dort. Nur hielten sich die beiden zuletzt genannten für den Rest ihres Lebens in den Vereinigten Staaten auf, da sie wegen ihrer jüdischen Abstammung ab 1933 vom Nazi-Regime kaltgestellt wurden. „Nicht-arische“ Musik wurde verboten.
So verschwanden viele ihrer Tonschöpfungen, manche davon bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg. Dazu gehören deren Streichquartette. Seitdem sich aber das Artis-Quartett darum kümmert, sie wieder zum Leben zu erwecken, dürfte es mit deren Gering-schätzung bald vorbei sein. Kreislers 1921 fertiggestelltes einziges Streichquartett in a-Moll und Weigls 5. Streichquartett in G-Dur, op. 31 aus dem Jahr 1933 hatte es sich für das Wuppertaler Gastspiel ausgesucht.
Beide sind musikalisch und handwerklich ausgereifte Werke, die allen Ansprüchen genügen. Das demonstrierten Primgeiger Peter Schuhmayer, Johannes Meissl an der zweiten Geige, Bratschist Herbert Kefer und Cellist Othmar Müller mit ihrem erstklassigen Spiel. Ohne Aufhebens um ihre eigene Person zu machen, stellten stehend die beiden Geiger wie der Bratschist und der neben ihnen sitzende Cellist ihre Fähigkeiten ganz in den Dienst der Musik.
Eine spieltechnische Akkuratesse par excellence war zu erleben. Jeder Ton der vier Vollblutmusiker saß. Selbst bei komplexen, sehr schnellen Passagen musizierten sie absolut synchron. Außerordentlich nuanciert wurden Haupt-, Neben und Füllstimmen gestaltet. Die große tragende, sonore Tongebung, mit der das Quartett faszinierte, führte zu einer live selten erlebten, spannenden und melodischen Musikalität. Dadurch erstrahlten die ganzen vielfältigen im Notentext enthaltenen Empfindungen höchst emotional.
Doch nicht nur diese spätromantische Musik, auch die Wiener Klassik war ein Ohren-schmaus. Wie aus einem Guss erklang Joseph Haydns 4. Streichquartett in B-Dur aus dem sechsteiligen Opus 76 (Hob III:78). Vom sanglichen Beginn, über das meditative Adagio und das entspannte Menuett bis zur Stretta des finalen Rondos wurde ein großer musikalischer Bogen gespannt.
Wir wollen es ausnahmsweise einmal dem Wintereinbruch an diesem Tag schulden, dass nur sehr wenige Kammermusikliebhaber auf den Johannisberg kamen. Die Anwesenden erlebten jedenfalls einen Höhepunkt im Wuppertaler Konzertleben, das dementsprechend mit ausgiebigem Applaus honoriert wurde. Dafür bedankte sich das Artis-Quartett Wien mit dem traum-haft schön gespielten langsamen Satz (Andante moderato) aus dem Streichquartett in a-Moll, op. 51/2 von Johannes Brahms.