Auf dem Gipfel der Bürokratie

Die Galerie Grölle zeigt ein administratives Gesamtkunstwerk.

Foto: Gerhard Bartsch

Wuppertal. „Alle drei bis vier Monate führen wir Gipfelgespräche“, sagt Gary Farrelly — und meint das keineswegs ironisch. 2015 haben sich der irische Künstler, der seit einigen Jahren in Brüssel arbeitet, und die gebürtige Wuppertalerin Chris Dreier, die seit ihrem Studium in Berlin lebt, in der Galerie von Jürgen Grölle kennengelernt.

Beide beschäftigen sich unter anderem mit Architektur und ihren Strukturen. Sie hatten sofort einen künstlerischen Draht zueinander und haben seither über die Distanz ein gemeinsames Gesamtkunstwerk geschaffen: die international agierende Organisation Aja („Office für Joint administrative Intelligence“). Dieser Behörde in Brüssel, dem europäischen Zentrum der Regelungswut, widmen sich Farrelly und Dreier mit großer Lust und Akribie, wie nicht zuletzt die ausgestellte Korrespondenz belegt.

Das Planwesen lebt und bebt, so tot es formal auch wirken mag. In der Hängeregistratur kann man die Protokolle der Gipfel-Zweiergespräche bis zum letzten Tässchen Kaffee nachlesen. Ein Doppelschreibtisch steht auch da, obendrauf eine stilgerechte Sanseverie und der erste offizielle Jahresreport, in den Schubladen Stifte, Umschläge und Stapel von Spielgeld. An der Wand hängt ein riesiger Plan zur Raumbelegung von OJAI inklusive Medienzentrum und Bahnhof. Hat man so ähnlich auch schon auf dem Amt gesehen, aber hier verschluckt sich das bürokratische Prinzip an sich selbst.

An den Wänden hängen überwiegend Einzelwerke der Künstler. Dreier, die bei OJAI das Amt eines Direktors für Finanzen und systemisches Risiko bekleidet, bringt in einem Wandbehang finanzmathematisch Formeln mit einem Voodoo-Symbol zu deren Abwehr zusammen. Neben Aufnahmen mit der Lochkamera stickt und knüpft sie Kissen mit Kurven und Zahlen in Computerschrift — ein satter Kontrast zwischen traditioneller Technik und moderner Flimmer-Hektik

Farrelly faszinieren technisierte Abläufe und Strukturen wie an Bahnhöfen, Flughäfen und bei der Post — er ist ja nicht umsonst der OJAI-Direktor für Verwaltungserbe (das gibt es wirklich). Pläne und Tabellen macht er durch regelmäßige Streifen schwer leserlich — und dadurch bewusst, welch selbstverständlicher Bestandteil des Alltags sie sind. Oder er treibt das Formelle auf die Spitze: mit einer Anordnung von zehn mal zehn Straßenbahntickets. Das Sticken hat auch er angefangen: Damit rastert er Postkarten — das schärft einmal mehr den Sinn für die Details.