Offen gesagt Auf der Straße namens Demut
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Elf Freunde müsst ihr sein. So einfach ist Fußball. Schwierig wird es erst, wenn die Zahl der Freunde gegen null tendiert. In dieser Situation scheint sich der Wuppertaler Sportverein zu befinden.
Es ist nicht fünf vor, sondern sehr wahrscheinlich bereits viertel nach zwölf. Der neue Vorstand putzt Klinken, um wenigstens noch ein bisschen Geld einzusammeln. Aber wenige, bisher nur sehr wenige trauen dem Fußball-Regionalligisten eine Zukunft zu. Wenn die nicht aussehen soll wie die des FC Remscheid und von Union Solingen, dann ist es langsam Zeit für ein Wunder. Denn der WSV hat so viel Porzellan zerschlagen, dass es für 100 Polterabende reicht. Es ist also überhaupt keine Überraschung, dass das Klinkenputzen fast jedes Mal mit Kopfschütteln beantwortet wird. Geld? Für den WSV? Niemals!
So ist das ganz unten. Und genau dort befindet sich der Wuppertaler Sportverein im 66. Jahr seiner Existenz. Nun ist die Frage, ob es weitergeht, und wenn ja, wie. Von einem Weißen Ritter ist weit und breit nichts zu sehen, erst recht nicht, seit der langjährige Präsident und Geldgeber Friedhelm Runge seine mündlichen Zusagen zurückgenommen hat, weil sich nicht genügend WSVer vor Dankbarkeit vor ihm in den Staub warfen. Wer’s braucht… Die städtischen Tochtergesellschaften sind nur noch widerwillig dabei, werden aber keinen Cent mehr geben, als sie unbedingt müssen. Wer will es ihnen verdenken? Der WSV ist seit Jahren mehr Last als Lust, weil es oft sportlich nicht läuft und noch öfter an Professionalität und Seriosität mangelt.
Dennoch sollte Wuppertal den Wuppertaler Sportverein nicht vor die Hunde gehen lassen. Der WSV ist Stadtgeschichte, Identifikation und vielen normalen Menschen in und um Wuppertal eine Herzensangelegenheit. Ereignisse wie zuletzt das Pokalendspiel gegen den KFC Uerdingen locken immer noch 10 000 und mehr Zuschauer ins Stadion am Zoo. Und auch Derbys gegen Rot-Weiß Essen oder andere Klubs mit Tradition erfreuen sich Besucherzahlen, die kein anderer Sportverein in der Stadt vorweisen kann.
Außerdem hat der WSV eine Geschichte, die von außerhalb noch viel glänzender wirkt als von innen, wo jedes „Wuppertal asozial“ aus der rot-blauen Fankurve sich wie eine Entzündung aufs Trommelfell legt. Doch die breite Mehrheit auf den Rängen und auf der Tribüne ist anders. Da sind Fußballnostalgiker, deren Herzen immer noch höher schlagen, wenn sie Günter Pröpper auf der Ehrentribüne Platz nehmen sehen. Da sind Kinder, die im WSV-Trikot den Helden von heute entgegenfiebern. Und da ist vor allem eine Jugendarbeit, die in diesem Jahr gleich zwei Mannschaften in die Bundesliga West geführt hat. Das können nicht sehr viele andere Vereine von sich sagen. Es zeigt, dass für den Wuppertaler SV trotz allen Dilettantismusses der jüngeren Vergangenheit nicht aller Tage Abend sein muss.
Bei aller berechtigter Kritik bleibt es eine Tatsache, dass Wuppertal mit dem WSV eine andere, bessere Bekanntheit erreichen kann und im Übrigen auch mehr Geld für Hotellerie und Gastronomie. Fußball ist Stadtmarketing, und ein erfolgreicher Klub kann ein Huhn sein, das goldene Eier legt.
Der Weg dorthin ist für einen Verein mit dieser Vergangenheit sehr, sehr lang, und die Straße, die er gehen muss, heißt Demut. Der WSV wird vermutlich über Jahre kleine Brötchen backen müssen. Aber das gelingt, je besser und loyaler, je vernünftiger und geduldiger seine Freunde sind. Eitle Pfauen, die im Licht des Klubs glänzen wollen, und schwerreiche Autokraten, die mit dem Daumen regieren wie einst römische Kaiser, sind dabei ebenso schädlich wie vermeintliche Unterstützer, die ihre Hilfen für den Wuppertaler Sportverein von Grundstücksgeschäften mit der Stadt Wuppertal abhängig machen.