Ausbildung mit viel Praxis
Angehende Erzieherinnen und Erzieher können inzwischen Arbeiten und Lernen kombinieren.
Für Mustafa Giyim ist die Praxisintegrierte Ausbildung (Pia) genau das richtige Modell: „Man kann, was man lernt, direkt anwenden. Und andersherum in der Schule Fragen stellen zu dem, was man in der Praxis erlebt.“ Der 24-Jährige will Erzieher werden, erhält das Rüstzeug am Ita-Wegman-Kolleg in Beyenburg und arbeitet gleichzeitig im Jugend- und Begegnungszentrum „JuB’s“ in Vohwinkel. Er ist einer von derzeit 90 Studierenden, die am Kolleg aktuell die Erzieher-Ausbildung absolvieren.
Die klassische Erzieherausbildung besteht aus zwei Jahren schulischem Unterricht und einem anschließenden Anerkennungsjahr. Doch seit einiger Zeit ist auch die praxisintegrierte Form möglich, bei der die Auszubildenden zwei Tage pro Woche Unterricht haben und drei Tage in einer Einrichtung arbeiten — insgesamt drei Jahre lang.
Das Ita-Wegmann-Kolleg hat sich sofort für diese Form entschieden, als es 2009 auch die Erzieher-Ausbildung ins Programm nahm. Schulleiterin Sabine Faßbender erklärt: „Wir halten diese Form für geeigneter.“ Bei der Ausbildung von Heilerziehungspflegern hatten sie zunächst beide Formen angeboten, aber bald die Vorteile der praxisintegrierten Ausbildung festgestellt.
Das hat auch damit zu tun, dass das anthroposophisch ausgerichtete Kolleg häufig von Menschen gewählt wird, die nicht direkt von der allgemeinbildenden Schule kommen. Viele haben schon gearbeitet oder bereits eine Familie. Für diese Studierenden ist es ein Vorteil, dass sie bereits während der Ausbildung Geld verdienen können.
Dabei ist das Thema Geld noch ein Problemfeld. Denn einige Träger von Kitas und anderen Einrichtungen, in denen Erzieherinnen und Erzieher arbeiten, sind noch nicht auf das neue Modell eingestellt. Für die Entlohnung der Pia-Kräfte gibt es schlicht keinen Topf. Daher finden sich unterschiedliche Modelle für die Bezahlung. Einige Träger verteilen das Gehalt, das für das Anerkennungsjahr vorgesehen ist, auf drei Jahre auf. Bei anderen haben die Auszubildenden nur Praktikanten-Status, manche zahlen sogar nur Fahrtgeld. Die Gewerkschaft Verdi hat jetzt einen Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst abgeschlossen. Pia-Kräfte in städtischen Kitas erhalten danach je nach Ausbildungsjahr 1090 bis 1303 Euro.
In Wuppertal sind 14 Pia-Kräfte in städtischen Kitas angestellt. Die Stadt hat mit dem Berufskolleg Kohlstraße eine Kooperation abgeschlossen, dort wurde für das Schuljahr 2017/18 eine Klasse für die Pia-Ausbildung eingerichtet.
Weil jedoch Lehrkräfte fehlen, konnte für das nach den Sommerferien startende Schuljahr keine weitere Pia-Klasse gebildet werden, das ist aber für das Schuljahr 2019/20 wieder geplant.
Cornelia Weidenbruch, Leiterin des Stadtbetriebs Tageseinrichtungen für Kinder, sagt, die Pia-Ausbildung sei eine Bereicherung, aber auch eine Herausforderung. Denn die Kolleginnen in den Einrichtungen müssten den jungen Auszubildenden anleiten — mehr als die Berufsanfänger im Anerkennungsjahr, die bereits zwei Jahre Ausbildung hinter sich haben. Auch müssten die Einrichtungen Wege finden, wie sie die Pia-Kräfte einsetzen, die nur drei Tage pro Woche anwesend sind.
Für die Stadt, die händeringend Kita-Personal sucht, geht es darum, mit dieser Ausbildungsform zusätzliche Kräfte zu gewinnen, deshalb sollen die Pia-Klassen am Kolleg Kohlstraße auch nur zusätzlich eingerichtet werden: „Wir kommen an Menschen heran, die sich eine schulische Ausbildung nicht leisten können“, erklärt Cornelia Weidenbruch. Menschen, die bereits Geld verdient haben und nicht mehr darauf verzichten wollen: „Das ist eine bunte Mischung.“
Für eine angehende Erzieherin (22) im Ita-Wegmann-Kolleg ist genau das der Grund für die Wahl dieser Ausbildungsform: „Ich stehe auf eigenen Beinen.“ Ihr gefällt aber auch der Wechsel zwischen Theorie und Praxis sowie der Kontakt, den sie mit ihren Studienkollegen hat: „Wir können Erfahrungen und Ideen aus der Praxis austauschen.“ Und Mustafa Giyim ergänzt: „Wenn wir Fragen aus der Praxis habe, können wir im Unterricht direkt darüber sprechen.“