Offen gesagt Kommentar zur Wuppertaler Schwebebahn: Der denkbare Super-GAU

Wuppertal · Was muss alles schieflaufen, damit ein perfektes Verkehrsmittel so verschlimmbessert wird, dass es letztlich unbrauchbar ist?

Foto: Schwartz, Anna (as)

Ein altes Sprichwort besagt, dass Klappern zum Handwerk gehört. Es bedeutet, dass derjenige, der etwas zu verkaufen hat, gut beraten ist, möglichst vielen anderen seine Verkaufsabsicht mitzuteilen. Wer das gut macht, gilt gemeinhin als pfiffig und geschäftstüchtig. Das sind zwei Eigenschaften, die auf Wuppertal so gar nicht zuzutreffen scheinen. Mehr zufällig ist in dieser Woche der Hinweis aufgetaucht, dass ein historischer Film über die Schwebebahn im New Yorker Museum auf Modern Art zu sehen ist. Das ist bemerkenswert, weil es sich erstens um eines der berühmtesten Museen der Welt handelt und weil es zweitens ein Film aus dem Jahre 1902 ist. Damals war Wuppertals stählernes Rückgrat gerade einmal ein Jahr alt. Der Film zeigt die Strecke, führt vorbei an der Fläche, auf der später das Stadion Zoo gebaut werden sollte, und gibt viele Einblicke frei, von denen sich die Wuppertaler im Jahr 2020 vermutlich nie ein Bild hätten machen können. Das ist wirklich sehr sehenswert.

Aber die Wuppertaler Stadtwerke scheinen anderer Meinung zu sein. Sie verbreiten die sensationell gute Nachricht lediglich über ihren Internetauftritt, sonst verbreiten sie ihn nicht. Das passt traurig gut zur gesamten Kommunikation über die Schwebebahn, die zuletzt darin gipfelte, dass der oberste Konzernsprecher und Marketingbeauftragte der Stadtwerke Wuppertaler Journalisten tatsächlich glauben machen wollte, die neuerliche Panne der Schwebebahn werde ohne größere Betriebspause beseitigt. Zur selben Zeit hatte der Aufsichtsrat allerdings schon anderes beschlossen. Seit dieser Woche steht die Schwebebahn nun werktags - und das für ein Jahr. Wenn das keine größere Betriebspause ist...

Das alles passt ins Bild. Die verkorkste Öffentlichkeitsarbeit ist nur die Spitze des Eisbergs. Nicht auf den ersten Blick sichtbar sind all die Nachlässigkeiten, all die Sorglosigkeiten, mit denen die Wuppertaler Stadtwerke den Um- beziehungsweise den Neubau der Schwebebahn begleitet zu haben scheinen. Mit jedem Tag, an dem die Bahn nicht schwebt, wird die Antwort auf die Frage drängender, wer viel früher hätte eingreifen und dem traurigen Sanierungsspiel ein Ende setzen müssen.

Die Forderung des Wuppertaler Wirtschafts-Professors, André Betzer, im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung, dass in Aufsichtsräten Experten sitzen müssen, beschreibt eigentlich eine schlichte Selbstverständlichkeit. Aber auch in Wuppertal werden solche Aufgaben immer noch nach Parteibuch verteilt, Expertise ist nicht unbedingt gefragt.

Das Ergebnis sind seltsame Personalentscheidungen, plötzlich klaffende Haushaltslücken beispielsweise an den städtischen Bühnen und nicht zuletzt die Angst um ein Verkehrsmittel, das fast 100 Jahre treu und ohne größere Probleme seinen Dienst verrichtet hat. Damit ist es seit mehr als 20 Jahren vorbei.

Wer sich den wunderbaren Film aus dem Jahre 1902 anschaut, wer ebenso entzückt wie schwermütig sieht, wie die Bahn majestätisch durch Vohwinkel und Sonnborn gleitet, Passanten und Pferdefuhrwerke überschwebt, vorbei an atemberaubenden Häuserzeilen, der muss sich fragen, wie vor fast 120 Jahren möglich war, was heute einfach nicht mehr funktioniert. Was muss alles schieflaufen, damit ein perfektes Verkehrsmittel so verschlimmbessert wird, dass es letztlich unbrauchbar ist?

Wenn die Verantwortlichen in den Aufsichtsgremien und in der Geschäftsführung nun nicht bald in die Spur kommen, dann ist die ärgerlich dilettantische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Konzernsprechers allenfalls die Fußnote in einer Geschichte, die zum Inhalt hat, dass in Wuppertal eine ÖPNV-Epoche endet. Es scheint längst nicht mehr unmöglich zu sein, dass die Schwebebahn überhaupt nie wieder in den normalen Verkehrsbetrieb zurückkehrt.

Der größte anzunehmende Unfall ist spätestens seit Mittwoch dieser Woche denkbar. Es ist ein Albtraum. Hoffentlich folgt ihm kein böses Erwachen.