Bäckerei Altmodisches Handwerk soll zum Trend werden

Wuppertal · Die Bäckerei Evertzberg arbeitet zum 75-jährigen Bestehen mit dem TV-Food-Experten Sebastian Lege zusammen.

Geschäftsführer Oliver Platt zeigt, woran man gutes Brot unter anderem erkennen kann: Drückt man es zusammen, kehrt es anschließend nach kurzer Zeit in seine Ausgangsform zurück. Um diese Qualität in Zukunft besser zu vermarkten, arbeiten Platt (r.) und seine Bäckerei Evertzberg seit Jahresbeginn mit dem TV-Food-Experten Sebastian Lege (l.) zusammen.

Foto: Sven Schlickowey

Sebastian Lege ist, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt. Am Dienstagabend noch zeigte er seinen Zuschauern im ZDF „die Tricks der Lebensmittelindustrie“, jetzt sitzt er in einer Remscheider Bäckerei – und prägt auch hier kernige Sätze. Als „kulinarische Trüffelschweine“ bezeichnet er sich und Oliver Platt, der neben ihm sitzt: „Wir haben den gleichen Dachschaden, wenn es um die Qualität von Lebensmitteln geht.“

Lege ist gekommen, um die Zusammenarbeit zwischen ihm und der Bäckerei Evertzberg, deren Geschäftsführer und Produktentwickler Oliver Platt ist, vorzustellen. Die beiden kennen sich schon länger, nun wollen sie gemeinsam der Bäckerei, die in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag feiert, mit neuen Ideen einen Schubs Richtung Zukunft geben.

Den Schwung dafür holen sie sich aber in der Vergangenheit, im traditionellen Bäckerhandwerk. Schon Mitte der 90er Jahre begann Platt, Zusatzstoffe und andere Helferlein aus der Backstube zu verbannen – und durch Handwerkskunst und vor allem viel Zeit zu ersetzen. Oder wie es Lege ausdrückt: „Die schieben den Teig drei Tage lang durch die Backstube, bevor er in den Ofen kommt.“

Als „wohl größte Handwerksbäckerei Deutschlands“ bezeichnet Platt das eigene Unternehmen. Und berichtet dann, wie er das Rezept seiner Croissants von einem 75-jährigen Bäcker in einem französischen 1200-Seelen-Dorf erlernte. Auch das Mehl und vor allem die Butter dafür importiere er aus Frankreich.

Doch Qualität allein reicht eben nicht immer aus. „Das Bäckersterben ist ja in aller Munde“, sagt Thomas Bischzur, wie Platt Geschäftsführer bei Evertzberg. Allein 2019 mussten wieder einige hundert Bäckereien in Deutschland aufgeben. Um diesem Schicksal zu entgehen, haben Bischzur und Platt den TV-Food-Experten Sebastian Lege ins Boot geholt. Der gelernte Koch gilt als Innovationsexperte in der Lebensmittel-Branche.

Am Anfang konzentriert man sich vor allem auf Snacks

Und er mag, was die Remscheider Bäckerei tut, wie er gern betont. Evertzberg stehe für ein Qualitätsversprechen, das in der Region zu wenig gewürdigt werde: „Die benutzen noch nicht einmal Vollei, sondern schlagen Eier aus der Region frisch auf.“ Das sei alles andere als gewöhnlich, so Lege: „Ich kenne bestimmt 200 Lebensmittel-Produktionen, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen.“

Aus diesen traditionell hergestellten Produkten wollen Lege und Platt gemeinsam neue Trends schaffen. Hauptaugenmerk liege dabei gerade zum Start auf Snacks. „Alles, was man sofort verzehrt“, erklärt Sebastian Lege. Das könnten belegte Brötchen oder ein neu konzipiertes Frühstück sein, aber auch eine Suppe oder Hotdogs. „Ich stelle mir einen Restaurationsbetrieb vor, der so lange läuft, wie die Sonne scheint.“ Dabei immer im Mittelpunkt: die Backwaren. „Man muss ja nicht alles können“, sagt Lege. „Aber man sollte sich auf seine Stärken konzentrieren.“

Begleitet werden soll das durch eine optische Neugestaltung der Verkaufsstellen. Auch daran wird Sebastian Lege mitwirken. Die nächste Neueröffnung, die für den Sommer in Remscheid-Lennep in der Fritz-Reuter-Straße geplant ist, solle bereits im neuen Design erstrahlen, berichtet Thomas Bischzur. „Die anderen Filialen bauen wir nach und nach um.“ Zudem sei eine neue Marketing-Kampagne geplant, die erklärt, wie Evertzberg arbeitet: „Der Kunde soll verstehen, was hier passiert.“ Inklusive zehn Qualitätsversprechen, die eine neue Broschüre gibt.

Was da bei Evertzberg passiert, das ist für Bäckermeister Platt auch eine Frage der Verantwortung. Die diversen Zusatzstoffe, die er heute nicht mehr einsetze, hätten zwar alle eine Zulassung, „aber auch nur einzeln jeder für sich“. Wie die Stoffe wirken, wenn sie zusammenkommen, mit Wasser vermischt, physikalisch bearbeitet und schließlich gebacken werden, könne niemand mit Gewissheit sagen. Da greife er lieber zur traditionellen Herstellung, so Platt: „Was der Mensch über die Jahrhunderte gelernt hat, muss man ja nicht einfach so umwerfen.“

Dass das nicht nur leckerer, sondern auch gesünder ist, davon ist Oliver Platt überzeugt: „Keiner unserer Mitarbeiter hat in den letzten 15 Jahren auch nur eine allergische Reaktion gezeigt“, sagt er. „Das ist so ungewöhnlich, das ist inzwischen sogar der Berufsgenossenschaft aufgefallen.“