90 Wuppertaler Jahre Barmer Bergbahn: Der Tag, an dem Mobilitätsgeschichte zu Ende ging

Wuppertal · Am 4. Juli 1959 brach die Barmer Bergbahn zu ihrer allerletzten Fahrt auf. Sie ist seit 60 Jahren Vergangenheit. Aber vergessen ist sie nicht.

Die Barmer Bergbahn ist seit 60 Jahren Geschichte.

Foto: Barmer Bergbahn e.V.

Mit Abschieden tut Wuppertal sich schwer. Es hat Tradition in dieser Stadt, dass nicht vergessen wird, was einst verschwand. Das gilt in  ganz besonderer Weise für die Barmer Bergbahn. Dieses Relikt aus den Zeiten, in denen der Mensch immer mobiler wurde, angetrieben von Dampf, Benzin und Elektrizität. Die Bergbahn war in dieser Hinsicht eine Pionierleistung,  sie war in Deutschland die erste Zahnradbahn, die mit Strom betrieben worden ist.  Angesichts der aktuellen Debatte um E-Mobilität ist es umso erstaunlicher, dass ihr nur eine relativ kurze Geschichte von nicht einmal 70 Jahren beschieden war. Sie endete mit der letzten Fahrt am 4. Juli 1959. Sie ist Vergangenheit, vergessen ist sie nicht.

Barmen schrieb das Jahr 1894. Die Stadt von Friedrich Bayer und Friedrich Engels stand noch in voller Blüte. Textil- und Chemieindustrie hatten sie wohlhabend gemacht. Noch deutete gar nichts auf den 1. Weltkrieg hin. Barmen wuchs. Den Kurzwaren aus den zahlreichen Bandwirkereien folgten durch die Gründung von Bayer Farben und medizinische Wirkstoffe in der wirtschaftlichen Bedeutung für die Stadt. Die Teppichfabrik Vorwerk & Co. beschäftigte zunehmend mehr Menschen. Die Stadt dehnte sich auf die Höhen aus. Und dort, beispielsweise um den Toelleturm, waren auch die Naherholungsgebiete der Barmer im Tal der Wupper. Dass es bereits gegen Ende der 1880-er Jahre erste Überlegungen gab, das Tal per Bahn mit den Höhen zu verbinden, passt in eine  Zeit, in der Mobilität eine immer größere Bedeutung gewann. Aber schnell war klar, dass eine normale Eisenbahn die bis zu fast 19 Prozent starke Steigung nicht würde überwinden können. Anders als der Triebwagen, der sich, „Samba“ genannt, über Jahrzehnte durch das Burgholz auf die Südhöhen nach Cronenberg schlängelte, gab die vorgesehene Trasse der Barmer Bergbahn die dafür notwendige Breite nicht her. Die  Eisenräder einer Lokomotive hätten auf den Schienen sicher keinen Griff gefunden und die Wagons nicht einen Zentimeter Richtung Hügelkuppe bewegt. Auf dem Rückweg wäre dank des Gefälles bremsen schier unmöglich gewesen. Es lag also auf der Hand, dass für die Bergbahn eine andere Lösung gefunden werden musste. Und die Vorbilder zogen sich in den Alpen teils steilste Hänge hoch. Zahnradbahnen waren auch damals schon in der Lage, starke Steigungen zu überwinden. Aber zumindest in Deutschland gab es keine, die mit Strom betrieben wurde. Das änderte die Barmer Bergbahn AG mit Hilfe der Firma Siemens & Halske.

Die Barmer Bergbahn war eine Erfolgsgeschichte, vielleicht nicht wirtschaftlich, weil nicht genügend Menschen die 1,6 Kilometer lange Strecke zwischen der Talstation Am Clef und der Endstation am Toelleturm genutzt haben. Aber sie war sehr schnell eine Art Wahrzeichen Barmens, eine Besonderheit, welche die Bürger der Stadt in ihr Herz schlossen. Umso herber war ihr Verlust. Er wurde mit einem Luftangriff auf Barmen eingeleitet. 1943 brannten die Stationen und die sechs Triebwagen der Bahn aus. Bis Februar 1944 stand die Bahn still.

Der Krieg hatte gerade auch in Barmen seine Spuren hinterlassen. Die Bergbahn wurde notdürftig hergerichtet, damit sie ihren Dienst wieder tun konnte. Und auch in den ersten Friedensjahren waren nicht genügend Mittel vorhanden, das Verkehrsmittel von Grund auf zu sanieren. So geschah, was oft geschieht. Der Sanierungsstau wird groß und größer, bis er so groß ist, dass er nicht mehr aufgelöst werden kann. Wer in diesem Zusammenhang an das Schauspielhaus denkt, der denkt nicht ganz falsch.

Für die Barmer Bergbahn jedenfalls kam das Ende. Alle Proteste der Barmer halfen nicht. Bereits 1954 beschloss der Stadtrat, die Bahn wegen geringer Wirtschaftlichkeit und hoher Sanierungskosten stilllegen  zu lassen. Der Widerstand in der Bürgerschaft verlängerte das Leben dieses ungewöhnlichen Verkehrsmittels noch um fünf Jahre. Aber am 4. Juli 1959 wurde der letzte Triebwagen, mit Girlanden geschmückt, aus dem Tal auf die Südhöhen geschickt. Wie um Nägel mit Köpfen zu machen, wurden die Gleise abgebaut und verschrottet. Heute erinnert der Teil  eines Zahnradantriebes nahe der Trasse als Denkmal an die Bahn. Die Wagenachse stammt allerdings nicht einmal  aus Wuppertal, sondern aus Stuttgart.  Das war’s.

Oder war es das  noch nicht? Diese Frage bleibt bis heute offen, auch weil sich ein Verein unermüdlich dafür einsetzt, dass dieses Stück Mobilitätsgeschichte nicht in Vergessenheit gerät. Die Barmer Bergbahn hat ihren Reiz nicht verloren. Es gab und gibt immer Menschen in Wuppertal, die sich für die Erneuerung der Bahn auf der alten Trasse einsetzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das irgendwann gelingt, ist allerdings eher gering.  Die Kosten sind zu hoch und angesichts eines immens gewachsenen Individualverkehrs käme die Bahn über den Status einer Wochenend-Touristenattraktion vermutlich niemals mehr hinaus.

Die Barmer Bergbahn ist Vergangenheit, aber vergessen wird sie nie. Schon wegen der Enthusiasten nicht, die ihre Geschichte fortschreiben wollen, und wegen des Wagens nicht, der möglicherweise in einem Erdwall am Zoo in Elberfeld darauf wartet, ausgegraben zu werden. Wer weiß, vielleicht begänne mit ihm ein neues Kapitel einer äußerst ungewöhnlichen Eisenbahngeschichte.