Barockoper digital betrachtet
Caccini-Aufführung am 20. April wird mit einer App begleitet.
Auch das Musiktheater ist mancherorts im digitalen Zeitalter angekommen — Anachronismus ade. So blickt auch die Opernsparte der Wuppertaler nach vorne, wenn am 20. April um 19.30 Uhr die Barockoper „La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina“ (Die Befreiung Ruggieros von der Insel Alcinas) aus der Feder von Francesca Caccini auf die Bühne gehoben wird. Denn dann darf — ja soll sogar — das Publikum während der Vorstellung mit seinen Smartphones und Tablets hantieren.
Was hat ein Stück aus dem Jahr 1625 von der ersten belegbaren Opernkomponistin überhaupt mit dem Internet zu tun? Diese Frage werden sich wohl viele stellen. Wenn man aber den Worten des Produktionsteams lauscht, ist auf einmal diese Konstellation nicht mehr abwegig. Die Inszenierung scheint ein spannendes Erlebnis zu werden. Wie bei der erfolgreichen Produktion „Three Tales“ von Steve Reich und Beryl Korot (die WZ berichtete) befinden sich die Zu-schauer mit auf der Bühne, sind ganz nah dran.
Nur sitzen sie dieses Mal nicht tatenlos auf den Stühlen. Es ist ihnen frei gestellt, ob sie auf Kissen Platz nehmen, herumstehen oder durch die Szenerie gehen. Jeder kann also das tun, wozu er Lust hat. Automatisch gibt es ein Zusammenspiel mit den Darstellern. Man ist mitten drin im Geschehen, kann hautnah miterleben und daran teilhaben, wie auf einer Liebesinsel die böse Zauberin Alcina, die gute Fee Melissa und der Ritter Ruggiero miteinander umgehen. Außerdem sind Kameras aufgestellt, die den Fokus auf diese drei Protagonisten richten.
Diese bewegten Bilder können über eine installierte App auf den Smartphones beziehungsweise Tablets betrachtet werden — es gibt ein Kontingent an Tablets zum Ausleihen. Die App heißt „Liberazione“ und kann aus dem jeweiligen Store von Apple und Google heruntergeladen werden.
Der Ort des Geschehens ist eine intime Insel. Regisseur Benjamin David vom Musiktheater-Kollektiv „Agora“, das mitwirkt, will ganz bewusst die Opernliebhaber integrieren. „Die Zuschauer sollen selber entscheiden, was sie interessiert“, ist die Begründung dieser mehrschichtigen Interaktion. Man kann Figuren hinterhergehen, sie begleiten, oder sie ganz nah über den eigenen Monitor an sich heranholen. Man kann aber auch nur stehend oder sitzend der Musik und den Gesängen lauschen.
So integrieren sich die Gäste individuell in die 70-minütige Handlung. Sie werden nach dem Prolog über einen Steg vom Auditorium auf die Bühne alias Insel in Form eines Labyrinths geführt. Laut Valentin Köhler, der für Bühnenbild und Kostüme zuständig ist, verändert es sich dauernd. Zunächst kann man sie von oben in Augenschein nehmen. Dann wird das Hubpodium hochgefahren und man kann am Geschehen teilnehmen.
Es spielen und singen Ralitsa Ralinova (Alcina), Joyce Tripiciano (Melissa) und Simon Stricker (Ruggiero). Begleitet werden sie vom Sinfonieorchester und Barockinstrumentalisten. Das Dirigat liegt in den Händen von Clemens Flick, Spezialist auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis alter Musik.