Bilder erzählen Geschichten Als der Kaiser Franz den Kaiserwagen steuerte

Wuppertal · Die Nationalelf, Kardinal Meisner oder Mark Spitz – sie alle schwebten durch Wuppertal.

Kaiser Franz Beckenbauer schwebte 1987 im Kaiserwagen durch Wuppertal.

Foto: WZ/Kurt Keil

Einmal im Leben durch Wuppertal schweben – diesen Spruch haben schon Millionen Gäste der Stadt berücksichtigt. Und wenn sich prominente Gäste ankündigten, dann fuhr die Stadt mit dem Kaiserwagen als ihrem schwebenden Wohnzimmer vor. So auch im September 1987, als sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Hotel Juliana auf Mollenkotten auf das Länderspiel gegen England vorbereitete, das im Düsseldorfer Rheinstadion ausgetragen wurde. Teamchef Franz Beckenbauer war gerade dabei, das Weltmeister-Team von 1990 zu formen. Und natürlich war es eine große Show, als die deutsche Nationalelf in den Kaiserwagen einstieg und Kaiser Franz den Kaiserwagen steuerte.

Würde Bundestrainer Joachim Löw heute Wuppertal einen Besuch abstatten, dann müsste er mit einer Fahrt in einer der neuen Schwebebahnen vorlieb nehmen, denn der Kaiserwagen steht schon seit mehr als einem Jahr in der Werkstatt. Ruhe und Abgeschiedenheit, wie sie damals das Hotel mit eigener Golfanlage am Rande der Stadt bot, würde das Team in Wuppertal allerdings auch nicht mehr finden.

Franz Beckenbauer meisterte die Aufgabe im Führerstand natürlich kaiserlich. Während Spieler wie Andreas Brehme, Eike Immel oder Jürgen Kohler in die Ballonseide ihrer Trainingsanzüge gehüllt waren, steckte „der Kaiser“ in einem Winterpullover, der den Teamchef allein schon modisch vom Personal abhob. Eine gute Figur im Trainingsanzug machte im Kaiserwagen auch Mark Spitz, der Star der Olympischen Spiele 1972 in München mit sieben Goldmedaillen. Als er den Wasserfreunden Wuppertal im Bad Bendahl einen Besuch abstattete, wurde auch für die Schwimm-Legende mit dem markanten Schnauzbart der Kaiserwagen reserviert.

Auch wenn Beckenbauer und die Nationalelf später noch öfter in Wuppertal residierten – eine Wiederholung der Schwebebahnfahrt gab es nicht. Der Ausflug und damit die Ablenkung vom Trainingsalltag ist den Kickern allerdings gut bekommen. Vor 50 000 Zuschauern besiegten sie das englische Team mit wunderschönen Toren von Pierre Littbarski (Weitschuss und direkt verwandelte Ecke) sowie von Wolfram Wuttke mit 3:1. Rudi Völler und Klaus Allofs ließen noch einige Chancen aus. Den Gegentreffer erzielte Gary Lineker, dessen legendärer Spruch: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen“ schon damals zugetroffen hätte. Wenn er ihn gesagt hätte. Tatsächlich tat er das knapp zwei Jahre später nach der Niederlage im WM-Halbfinale 1990 gegen das Beckenbauer-Team.

Höfliche Kommentare gab Franz Beckenbauer über seine erste und vorerst letzte Schwebebahnfahrt ab. Ein legendärer für die Nachwelt wie der von Gary Lineker war leider nicht darunter.

Anders ist das im Fall von Joachim Kardinal Meisner. Kurz nach seiner Versetzung unternahm Meisner seinen Antrittsbesuch in Wuppertal und wurde von kirchlichen Würdenträgern zur Kaiserwagenfahrt eingeladen. Unter den Mitreisenden verteilte er Bildchen mit seinem Konterfei. Nach dem Aussteigen kam ihm noch ein Gedanke und er rief einen seiner geistlichen Begleiter zu sich. „Geben Sie dem Piloten doch auch eines von mir“, bat er den Priester. Besagter „Pilot“ nahm die Auszeichnung dankend an. Vielleicht war die Schwebebahnfahrt dem früheren Vorsitzenden der römisch-katholischen Bischöfe der DDR nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Köln ja wie ein kurzer Flug über alle Mauern hinweg vorgekommen.