„Beförderungen zahlen sich für die Stadt und die Beamten aus“
Komba-Gewerkschaft erwartet Entscheidungen der Stadt gegen den Beförderungsstau.
Wuppertal. Ein Schreiben des Ministeriums für Inneres und Kommunales an die fünf Regierungspräsidenten hat für Bewegung in der Diskussion um den Beförderungsstau von Beamten gesorgt. Auch Beamte, die in den Verwaltungen überschuldeter Städte wie Wuppertal arbeiten, dürfen wieder hoffen. Die WZ sprach mit Jörg Beier, Vorsitzender der Komba Gewerkschaft, Ortsverband Wuppertal, und Andreas Koppen, Vorstandsmitglied der Komba.
Herr Beier kann es sich eine so hoch verschuldete Stadt wie Wuppertal finanziell erlauben, ihre Beamten zu befördern.
Beier: 323 Kolleginnen sind zum jetzigen Zeitpunkt beförderungsfähig. Sie sind aber nicht befördert worden, weil die Bezirksregierung gesagt hat: euer Haushalt ist so schlecht, ihr dürft nicht mehr befördern. Seit 2008 haben uns 66 Spezialisten aus allen Teilen der Verwaltung, dem technischen Dienst oder der Feuerwehr verlassen. 66 Kollegen, die wir wieder neu einstellen oder ausbilden müssen. Die Ausbildung vom Schüler zum fertigen Stelleninhaber kostet etwa 100 000 Euro. Da ist das Spezialwissen, was die zum Teil hatten, noch nicht einmal dabei. 66 Mal 100 000, das sind 6,6 Millionen. Es ist in der Tat günstiger zu befördern, als neue Leute zu qualifizieren und als arme Stadt Wuppertal die reiche Stadt Düsseldorf mit gutem Personal zu sponsern.
800.000 Euro pro Jahr würden die Beförderungen kosten. Ist das nicht ein schlagendes Argument gegen Beförderungen in einer armen Stadt?
Beier: Die 66, die weggegangen sind, müssen wir neu ausbilden, weil es sich zum Teil um Pflichtaufgaben handelt, wie bei der Feuerwehr. Wenn wir jetzt nicht befördern, wandern weitere Kollegen ab. Viele haben sich schon in anderen Städten für höhere Aufgaben beworben. Auch bei der Bezirksregierung, und das ist besonders charmant, denn die, die uns das Beförderungsverbot einhandeln, ziehen uns Leute ab. Die 800.000 Euro könnte man dem Nachschulungs- und Nachqualifizierungsbedarf gegenüberstellen. Bei zehn Stellen hat man eine 1 Million Euro Nachqualifizierungskosten gespart.
Haben Beamte nicht schon genug Privilegien. Müssten Sie nicht mit Blick auf das Gemeinwohl auf mehr Geld verzichten?
Beier: Ein Angestellter hat in vielen Fällen faktisch schon den gleichen Kündigungsschutz wie ein Beamter. Der Bürger verlangt zurecht, dass bei uns privatrechtliche Regelungen gelten, dass leistungsgerecht bezahlt wird. Wenn ein Beamter aber seit fünf Jahren höherwertige Tätigkeiten macht und dafür nicht die entsprechende Bezahlung erhält, dann verdichtet sich dies zur moralischen Verpflichtung, zu befördern.
Koppen: Von Beamten wird seit 20 Jahren Lohnzurückhaltung oder längere Arbeitszeit eingefordert. Die Einkommensdifferenz zur freien Wirtschaft ist ja schon gegeben. Man muss sich fragen, wann das Argument der Unkündbarkeit aufgebraucht ist.
Der Stabilitätspakt ist noch nicht beschlossen. Ist es jetzt der richtige Zeitpunkt für Beförderungen?
Beier: Das Innenministerium hat die fünf Bezirksregierungen angeschrieben, mit dem Ziel, Beförderungen zu ermöglichen, bevor das ganze Verfahren in Bezug auf den Stabilitätspakt zum Abschluss gebracht ist. Angesichts der langen Wartezeit muss es jetzt schon im Dezember die ersten Beförderungen geben, damit mit dem Abbau des Beförderungsstaus angefangen werden kann.
In welchen Bereichen trifft der Beförderungsstau die Beamten besonders hart?
Beier: Alle sind gleichermaßen betroffen. Das macht auch vor Amtsleitern nicht halt.
Wer wäre als erster an der Reihe?
Koppen: Es wird darauf hinauslaufen, dass es die sind, die am längsten gewartet haben. Bis Wuppertal in die Entschuldung kommt, denken wir über einen Zeitraum bis zum Jahre 2022 nach. Es ist wirklich nicht hinnehmbar, wenn man eine Perspektive von zehn Jahren vor sich hat, bevor man leistungsgerecht bezahlt wird.
Beier: Es gibt Kollegen, die warten bereits auf zwei Beförderungen. Ein Beispiel: Ein Feuerwehrmann, der in A 7 eingruppiert ist, hat sich weitergebildet und leitet inzwischen eine Wachabteilung mit 65 bis 70 Leuten. Der wird immer noch bezahlt, als wenn er hinten auf dem Löschzug sitzt.
Stadtkämmerer Johannes Slawig hält Beförderungen nicht für machbar. Welche Argumente bleiben da noch?
Beier: Wir haben gute Argumente. Die Gefahr besteht doch, dass die Motivation der Beamten irgendwann darunter leidet. Außerdem rechnet sich der Beförderungsstopp auf Dauer nicht für die Stadt und widerstrebt dem Prinzip der Fairness.
Koppen: Die Leistungsverdichtung am Arbeitsplatz wird nur mit motivierten Kollegen zu stemmen sein.
Hat die Stadt den schwarzen Peter, denn sie soll befördern, darf es aber wegen der Haushaltssperre nicht?
Koppen: Im Schreiben des Innenministeriums ist die Rede davon, dass Personalentwicklungsmaßnahmen, zum Beispiel Beförderungen und Zulagen, im Wege der Duldung zu tolerieren seien, wenn die Kommune einen entsprechenden Sanierungsplan vorlegen kann. Die Stadt will bis 2016 einen Haushaltsausgleich schaffen. Wenn ein Maßnahmenpaket von 50 Millionen zu stemmen ist, dann sollten die 800.000 auch zu stemmen sein.
Beier: Die Kosten von einer Million Euro, die zur Nachqualifizierung erforderlich wäre, würden wegfallen. Das ist vielleicht nicht in jedem Fall deckungsgleich, aber man kann das schon gegeneinander aufrechnen.
Wie ist die Stimmung unter den Beamten?
Beier: Viele haben den Aufruf des Innenministers gelesen und erwarten jetzt ein positives Zeichen.
Koppen: Wir haben eine hohe Motivation, aber die Leistungsverdichtung und der Beförderungsstopp minimieren die Identifikation — und dadurch droht das umzukippen.
Werden die Beamten für ihre Ziele auf die Straße gehen?
Beier: Es gibt sicher die Möglichkeit, noch einmal vor dem Landtag zu demonstrieren. Zudem haben wir eine Aktion laufen, dass alle, die 18 Monate oder länger auf eine Beförderung warten, eine Zulage beantragen sollten.