Meine erste Platte Bei Dietrich Rauschtenberger setzte sich die Musik durch
Wuppertal · Der Musiker hat schon früh erste Kontakte zur Musik gehabt.
„Den ersten Kontakt mit Musik hatte ich in der Schule, wo wir Volkslieder gesungen haben. Ich habe immer Radio gehört, da gab es Operetten und nicht zu vergessen, die Sendung ‚Herr Sanders öffnet seinen Schallplattenschrank‘“, sagt der Wuppertaler Dietrich Rauschtenberger. Schon früh kam er mit den schwarzen Platten in Berührung. Auch wegen einer Nachbarin, die, wie er sagt, ein Grammophon für 78er Schellackplatten besaß, das man mit einer Kurbel erst aufziehen musste. „Ich erinnere mich an Blasmusik ,Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt’, an , La mer’ gesungen von Tino Rossi, einem Frauenschwarm der 40er und 50er Jahre. Meine Mutter liebte Musik, sie kaufte eine Musiktruhe, um Schlager zu hören. Meine erste Platte war die LP ‚Moanin‘‘ von Art Blakey & the Jazz Messengers. Aber ich hörte auch Harry Belafonte und Fats Domino, denn ich spielte mit einem Akkordeonspieler und einem Gitarristen zum Tanz.“
Im Turnverein ‚Rote Erde Schwelm‘ lernte Rauschtenberger schließlich die Musiker der Dixieband ‚Rainy Town Stompers‘ kennen. Dixieland war die angesagte Jugend-Musik der 50er Jahre, englische Bands waren populär: Chris Barber, Ken Coyler, Acker Bilk, Lonny Donnegan und Humphrey Lyttelton. „Bei Freunden hörte ich Modern Jazz und Bebop von Charlie Parker, die auf dem Jazztone-Plattenlabel veröffentlicht wurden“. Weil in Schwelm die Möglichkeiten begrenzt waren, trainierte er in Langerfeld beim BTV. Dort lernte er Wuppertaler Musiker kennen: den Trompeter Lothar Schnell, den kürzlich verstorbenen Norbert Ossé, den Saxophonisten Manfred Knickenberg, der später deutscher Meister über 100 m und Olympiateilnehmer wurde und andere, mit denen er sich im ‚Studio Jazz‘, einer Baracke in Langerfeld, traf und Jazz, aber auch Tanzmusik spielte, was damals kein Widerspruch war. Ein anderer Treffpunkt war der Jazzkeller ‚Bohème‘ im Lichtburg-Gebäude am Alten Markt in Barmen. „Da spielten Dixiebands, oft englische, und Gruppen, die Modern Jazz spielten, wie der Saxophonist Hans Koller, der Posaunist Albert Mangelsdorff oder George Maycock am Piano mit dem eindrucksvollen Schlagzeuger Big Flechit.“
Anfang der 60er Jahre traf Rauschtenberger Peter Brötzmann, der an der Wuppertaler Werkkunstschule Graphik studierte. „Das hat Dieter Fränzel eingestielt. ,Ich kenn da einen Saxophonspieler’, sagte er, mit dem müsstest du dich mal treffen. Brötzmann hat mein Musikverständnis und mein Leben verändert.“ Er habe dann immer freitags in einer Barmer Kneipe Freejazz gespielt. Arbeiter hätten dort nach Feierabend ihr Bier getrunken und „erstaunlicherweise unsere schräge Musik ertragen“, berichtet Rauschtenberger. „Heute wäre das unvorstellbar.“
Später, als der Bassist Peter Kowald dazustieß, wurde ihm klar, dass er sich entscheiden müsse, wohin sein Weg führen soll. Doch der Beruf des Musikers war ihm zu unsicher, er beschloss stattdessen, Lehrer zu werden. „Ich hatte ja drei Kinder und habe während des Studiums Tanzmusik gemacht, um Geld zu verdienen.“ Erst in den 70er Jahren kam er zurück zum Jazz. Mit Andreas J. Leep, Armin Stolz, Christian Spengler und Gerd Birkelbach nahm er 1976 in Elberfeld die LP ‚Open Field Musik‘ auf. Er spielte mit dem Bassisten Ulli Weiche im Trio des Pianisten Bernd Köppen, schrieb Texte, die er mit Schlagzeugbegleitung vortrug. 1980 schied er aus dem Schuldienst aus. Anfang April 1991 fragte ihn Peter Kowald, ob er mit nach Tuwa in Sibirien fahren wollte, um bei der Hochzeit der Sängerin Sainko Namchylak zu spielen. Über diese Reise gibt es ein kurzweiliges Buch mit vielen Fotos: „Mit Kowald in Sibirien – Eine Reise zum Mittelpunkt Asiens“ (Verlag HP Nacke, 2015). Ein abendfüllendes Musiktheaterstück war ‚Die Kunst ein Schlagzeug aufzubauen‘, in dem er auf unterhaltsame Weise eine Geschichte des Schlagzeugs in Jazz, Rock und Pop erzählt.
2006 entstand das erfolgreich gesendete Hörspiel „Wie wir den Free Jazz erfunden haben“ mit Rolf Becker als Erzähler. Produzent war der viel zu früh verstorbene Dirk Peters. Weitere Veröffentlichungen sind die Romane „Jazz und Ikebana“ (2009), „Trombeck“ (2015) und „Ruhrstraße 33 Heimatroman“ (2017). „Leider durch Conona ins Stocken geraten ist das Text/Musikprojekt ,Stellwerk’ mit Klaus Harms, Tanja Kreiskott und meiner Frau Brigitte, in dem wir Brigittes lyrischen Texten eine musikalische Form geben wollen.“