Bergische Wirtschaft Wirtschaft trotzt Trump und Brexit

Wuppertal · Die Bergischen Unternehmen haben den Abschwung gestoppt - trotz vieler Turbulenzen.

Bergische Unternehmen haben Trump und Brexit bisher gut verkraftet
Foto: grafik

Der Abschwung der Wirtschaft im Bergischen Land hat sich im letzten Quartal des vergangenen Jahres nicht weiter fortgesetzt. Die Wirtschaft im Bergischen Land habe sich stabiler erwiesen als es viele prognostiziert hätten, lautet das Fazit der Bergischen Industrie- und Handelskammer auf der Grundlage ihrer jüngsten Konjunkturumfrage. Zum Jahresbeginn seien wieder mehr Unternehmen optimistischer als pessimistischer in Bezug auf die erwarteten Umsätze und Investitionen.

 456 Unternehmen, die insgesamt 27 000 Mitarbeiter beschäftigen, hatten sich an der Umfrage der IHK beteiligt und Angaben zur aktuellen Geschäftslage sowie zu ihren Geschäftserwartungen gemacht. 31 Prozent der Unternehmen im IHK-Bezirk schätzen die Lage als gut und 55 Prozent als befriedigend ein. 14 Prozent sind unzufrieden.

 IHK-Präsident Thomas Meyer sieht das Bergische Land trotz der Turbulenzen auf den Weltmärkten gut aufgestellt. „Es macht die Stärke des Bergischen Landes aus, dass wir nicht eine dominierende Branche haben. Keine Branche hat einen Anteil von weit mehr als 20 Prozent, daher wirken sich negative Entwicklungen einzelner Wirtschaftszweige nicht so drastisch aus wie in anderen Industrie-Regionen“, sagte Thomas Meyer und beschrieb Wuppertal als „industriellen Tausenfüßler“. In Solingen und Remscheid ist der vielfältige Mittelstand ebenfalls ein stabilisierender Faktor in politisch turbulenten Zeiten. Wobei die aktuelle Entwicklung in China in Folge der Verbreitung des Coronavirus nur in Ansätzen in die Ergebnisse der Umfrage eingeflossen ist. An der Börse merke man schon, dass das Thema noch größer werden könne, aber in einem schwierigen Umfeld sei die Lage stabil.

„Die Geschäftserwartungen haben sich aufgehellt“, ist Meyer überzeugt. Beim Thema Brexit habe das britische Unterhaus für mehr Klarheit gesorgt. Da keine Seite Interesse an einem harten Brexit habe, erwartet Meyer für die nun anstehenden Verhandlungen über ein Handelsabkommen eine Einigung. Doch selbst ein harter Brexit könne die Bergische Wirtschaft nicht im Kern erschüttern. Sieben bis acht Prozent der Exporte entfallen auf die Geschäftsbeziehungen der Bergischen Unternehmen mit Großbritannien. Wenn der Anteil sinke, werde das die Bergische Wirtschaft nicht umbringen, aber einen Husten könne das schon zur Folge haben, so Meyer. Die Eurozone gewinne an Attraktivität für Auslandsinvestitionen, während China seinen Nimbus einbüße - und das unabhängig vom Coronavirus.

Es drohen vier weitere Jahre
mit US-Präsident Trump

Die Annäherung von USA und China wertet er als gutes Signal. Trump habe allerdings noch keiner Lösung bei den Schutzzöllen für die Automobilindustrie zugestimmt. „Er hält die Keule so lange hin, wie er sie im Wahlkampf benötigt. Wenn er mit dem Thema durch ist, wird er die Zölle zurücknehmen“, ist Meyer überzeugt. Angesichts der Kandidaten, mit denen die Demokraten ins Rennen um die US-Präsidentschaft gehen, müsse mit vier weiteren Jahren Trump gerechnet werden.

Unter Druck geraten die Automobilzulieferer nicht allein wegen der Schutzzölle, sondern weil sich die gesamte Branche der strukturellen Frage bezüglich der Umstellung auf alternative Antriebsformen wie E-Mobilität oder Brennstoffzellen stellen müsse. „Das Ziel steht noch nicht fest. Die Richtungsentscheidung muss getroffen werden“, fordert Meyer. Die Unsicherheit im Automobilbereich dämpfe die Geschäftserwartungen. IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge ist optimistisch: „Im bundesweiten Vergleich ist das Bergische Land bei den Automobil-Zulieferern weniger betroffen, weil hier viele Teile produziert werden, die auch für E-Mobile benötigt werden. Der Verein Automotive.NRW wird bei der Analyse in die Tiefe gehen“, sagt Michael Wenge.

IHK-Geschäftsführer Uwe Mensch weist darauf hin, dass 25 bis 30 Prozent der Unternehmen direkt oder indirekt vom Auto abhängen. Die Zulieferer hätten in vergangenen Jahren schon ihr Portfolio erweitert und die Herstellung zum Beispiel auf die Haussignaltechnik erweitert.

Solingen verzeichnet einen Aufwärtstrend bei den Schneidwaren und der Besteckindustrie. In Remscheid ist der Maschinenbau weniger abhängig vom Weltmarkt, was sich in der Umfrage ebenfalls positiver niederschlägt.

 Industrienahe Dienstleistungen, darunter die IT-Branche und Unternehmensberatungen, verzeichnen eine wachsende Zahl an Aufträgen, was Thomas Meyer neben der Digitalisierung mit einer immer komplexer werdenden Regulierung erklärt.

Die Abwerbung von Fachkräften in einzelnen Branchen nimmt zu

 Der Einzelhandel profitiere von der starken Binnenkonjunktur durch die wachsende Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter sowie einer niedrigen Inflation - mit den Ausnahmen Immobilien, Miete und Energie. Auch der Gaststättenbereich habe sich positiv entwickelt. Mit Investitionen halte sich der Einzelhandel aber zurück.

Die Erwartungen in der Verkehrsbranche sind rückläufig, weil Transportleistungen weniger gefragt sind. Den Speditionen mache zudem zu schaffen, dass es sehr schwer sei, gute Fahrer zu finden. „Die Folge ist, dass sich Unternehmen gegenseitig gute Fahrer abwerben“, sagt Michael Wenge.

Von einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote in den drei Bergischen Städten zum Jahresbeginn sind vor allem Zeitarbeiter und Ungelernte betroffen. In Wuppertal stieg die Quote im Januar von 8,2 auf 8,7 Prozent. Zeitarbeiter und Ungelernte wurden gebraucht, als die Unternehmen in den vergangenen Jahren zum Teil über das normale Maß produzierten. Bei rückläufigen Aufträgen und schon bei normaler Auslastung trifft es die am schlechtesten ausgebildeten Arbeitnehmer zuerst. Wichtig sei es für die Unternehmen, ihre Kernmannschaft zu erhalten. Die Ausbildung und Qualifizierung der Arbeitnehmer sei wertvoller denn je, so Carmen Bartl-Zorn, Leiterin der Aus- und Weiterbildung bei der IHK. „Es müssten wieder mehr Betriebe ausbilden. Jetzt sind es 1500 im Bergischen - wir hatten mal 2000“, sagt IHK-Präsident Thomas Meyer.