Bernd Uwe Marszan: Einst Tänzer und jetzt Therapeut
22 Jahre lang tanzte der Wuppertaler im Ensemble von Pina Bausch — ehe sich der Familienvater beruflich neu erfinden musste.
Wuppertal. Wenn der letzte Vorhang gefallen, der letzte Applaus verklungen ist, dann stellt sich für Tanz-Profis, oft erst Anfang 40, die Frage: Wie geht es nun weiter? Für viele war der Tanz Passion und Berufung, die keinen Platz für andere Tätigkeiten ließ. „Ungelernte Arbeitskräfte“, so werden sie von nun an eingestuft, und oft genug stehen nach Jahren selbst gewählter Entbehrungen ähnliche aufgrund finanzieller Mängel bevor.
Für Bernd Uwe Marszan, in 22-jähriger Zusammenarbeit mit Pina Bausch, allein 15 Jahre Solotänzer im weltberühmten Tanztheater, schlug die schmerzhafte Stunde des Abschieds von der Bühne 2008 in Peking nach der Aufführung von „Frühlingsopfer“. Zwar lebte sein parallel laufendes Projekt „Körpertexte“ noch weiter, doch 2010 entschloss sich der damals 45 Jahre alte Familienvater zu einem neuen Lebensabschnitt: einer Ausbildung zum Physiotherapeuten.
Ein mit Dornen gespickter Weg lag vor ihm, was sich nicht allein darin begründete, dass sämtliche Mitschüler mit einem Altersdurchschnitt von 22 Jahren gut seine Kinder hätten sein können und auch die Lehrkräfte meist erheblich jünger waren.
Der anspruchsvolle Stoff war alles andere als leicht zu begreifen für einen Mittvierziger. „Da habe ich mich bei den Praktika in Krankenhäusern und Physio-Praxen schon wohler gefühlt“, so Marszan, der sichtlich froh ist, die Ausbildungszeit erfolgreich hinter sich gebracht zu haben.
Doch Bernd Uwe Marszan, zupackend, eher athletisch als ätherisch, biss sich durch, schaffte das Examen und fand in der Physio-Praxis von Klaus Meyer, die in diesem Jahr von der Barmer Emmastraße zum Vorm Eichholz auf den Grifflenberg umgezogen ist, einen Arbeitgeber, bei dem die neue Tätigkeit offensichtlich viel Freude macht.
Beide hatten Ende 2012, wenige Monate vor Marszans Examen, das erste Gespräch geführt — und Meyer, viele Jahre Physiotherapeut der Leichtathletik-Nationalmannschaft und Lehrgangsbetreuer mit einem Kooperationsvertrag mit dem Olympia-Stützpunkt Dortmund, war gleich angetan von den Ideen des einstigen Solo-Tänzers — etwa von dessen Gedanken zur Verbindung zwischen Physis und Psyche. „Es ist ein ständiger gegenseitiger Austausch“, so Meyer, der acht Therapeuten in seiner Praxis beschäftigt.
„Bei Bernd schätzen unsere Patienten und ich dessen menschliche Reife, die Fähigkeit zur richtigen Ansprache und natürlich dessen fachliche Qualifikation“, sagt Meyer. Er zeigt sich von seinem neuen Mitarbeiter und dessen Auftreten begeistert und hat ihm bereits einen Stamm eigener Patienten anvertraut.
„Ich musste meinen letzten Zug erreichen“, wählt der Tänzer ein plausibles Bild für seine Berufswahl. Einen „Frühzug“ allerdings, der um 7.30 Uhr startet. Eine Zeit, in der der Tänzer Bernd Uwe Marszan nach abendlichem Auftritt einst noch lange nicht ans Aufstehen gedacht hat.