Gräber, die Geschichte machen
Von Pina Bausch bis zu jüdischen Verfolgten: Ein Rundgang über Wuppertaler Friedhöfe.
Wuppertal. Ein verwilderter Weg schlängelt sich über den Friedhof Krummacherstraße. Er führt zum Grab einer berühmten Wuppertalerin: Unter alten Bäumen, direkt an einer kleinen Wasserfläche, befindet sich die letzte Ruhestädte Pina Bauschs. Ein schlichtes, bescheidenes Grab, das wirkt, als sei die Natur dabei, es sich zurückzuholen.
Dort, an Pinas Grab, beginnt eine vierstündige Wanderung über Wuppertals Friedhöfe. Die etwa 20 Teilnehmer wollen auf diesem Weg die Stadtgeschichte kennenlernen.
„Ich fand die Idee ausgefallen, aber originell. In anderen Städten wie Berlin oder Paris haben wir uns schon die alten Friedhöfe angesehen, also dachten wir uns: Warum nicht auch in Wuppertal?“, sagt Karl Schulz. Seine Frau Ulla fügt hinzu: „Wir sind Stadtstreicher. Das ist die dritte Stadtführung, die wir in Wuppertal mitmachen — und es war immer sehr interessant.“ Andreas Roth, gebürtiger Berliner und seit 24 Jahren im Tal ansässig, pflichtet dem Paar bei: „Wuppertal ist eine Stadt, die man erst auf den zweiten Blick richtig entdeckt“, meint er. Unter anderem durch solche Wanderungen.
Vom Friedhof Krummacherstraße, dem größten Wuppertals, geht es per Bus zum niederländisch-reformierten Friedhof an der Katernberger Straße. Alle Gräber sind dort genormt. Der einzig erlaubte — und erwünschte — Grabschmuck sind Rosen. „Diese Gemeinde ist der Meinung, dass kein Grab pompöser sein sollte als ein anderes, da vor Gott alle gleich sind. Für mich ist das hier der schönste Friedhof Wuppertals“, sagt Stadtführer Jürgen Holzhauer. Wie auf Abruf kommt in diesem Moment der Pastor der Gemeinde vorbei. Um den Hals trägt er sein Akkordeon, das er für die gerade zu Ende gegangene Messe benötigte. Zur Freude aller stimmt er ein Lied an. Holzhauer: „Diese Gemeinde ist wie eine große Familie.“
Am Friedhof Hochstraße wird es dann prominent: Dort liegen bekannte Persönlichkeiten aus Wuppertals Stadtgeschichte, etwa Carl Fuhlrott oder die Familie Bayer. Während Holzhauer dort immer wieder launige Anekdötchen einstreut, wird es an der letzten Etappe ernster — auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg. In der Gedenkmuschel im vorderen Teil des Friedhofes steht: „Dem Gedenken der Opfer des Hasses, der Nachwelt zur Mahnung“. Der Irrsinn der Geschichte zeigt sich besonders an den Gräbern der jüdischen Soldaten. Im Ersten Weltkrieg sind diese für ihr Deutschland gefallen — im Zweiten Weltkrieg wurden ihre Angehörigen wegen ihres Glaubens verfolgt.
„Die Wanderung hat zum Nachdenken angeregt“, sagt Judith Rauschen am Ende des Rundgangs. „Aber sie macht einem bewusst, dass Wuppertal nicht grau und hässlich ist — sondern eine schöne, facettenreiche Stadt mit Geschichte.“