Wahl 2020 Hans Jürgen Vitenius läutet ein letztes Mal das Glöckchen

Elberfeld · Nach mehr als 30 Jahren in der Bezirksvertretung tritt der 79-Jährige im September nicht mehr an.

 Hans Jürgen Vitenius war 1999 zum ersten Mal zum Bezirksvorsteher gewählt worden.

Hans Jürgen Vitenius war 1999 zum ersten Mal zum Bezirksvorsteher gewählt worden.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Das Glöckchen läutet, die Sitzung ist eröffnet. Es ist das Ritual von Hans Jürgen Vitenius, doch am Mittwoch wird er es zum letzten Mal in der Bezirksvertretung Elberfeld vollziehen. Das Treffen des Stadtteilparlaments ist das letzte für den 79-Jährigen. Nach mehr als 30 Jahren im Stadtteilgremium, davon mehr als 16 an der Spitze, ist Schluss. Der SPD-Mann tritt zur Wahl am 13. September nicht mehr an. Wobei, so ganz richtig ist das nicht. Auf Listenplatz 9 steht er auf dem Wahlzettel. Chancenlos für einen Sitz im Gremium - aktuell hat die SPD sechs - aber als Zeichen, wie er betont. „Für die Jüngeren, damit die sehen, da ist noch einer im Hintergrund, der helfen kann, unterstützen will“.

Aber aus der ersten Reihe, das betont er, da will er sich zurückziehen. „Ende des Jahres werde ich 80, das reicht.“ Mehr Zeit bleibt dann für die Familie, sein Hobby, die diversen Sammlungen - und die weiteren ehrenamtlichen Verpflichtungen. Auch da sei er kürzer getreten, aber ganz ohne? „Das geht nicht.“

Ein Spätstarter
in die Politik

Die Leitung des ehemaligen Hauses der Jugend an der Wittensteinstraße (heute Standort der Moschee), Vorsitz bei der Drogenhilfe, Vorstandsmitglied im Bürgerverein Südstadt und, und, und. Aufgaben hatte und hat der 79-Jährige, der früher als Schadensgutachter bei einer großen Versicherung arbeitete, genug. Oder wie Vitenius es ausdrückt: Er sei „auf vielen Bötchen unterwegs gewesen, ohne dass das eine das andere zum Kentern gebracht hat“. Anschauliche, weil oft blumige Vergleiche wie diese nutzte er auch gerne, um das politische Geschehen zu beschreiben.

Die BV wird ab September ein anderer leiten. Die SPD vollzieht einen Wandel - nicht nur Vitenius wird das Gremium verlassen, bis auf Thomas Kring, der auch für den Rat kandidiert - und übrigens einst auch Vitenius das Glöckchen schenkte, wechseln die Sozialdemokraten ihr Team komplett aus, jünger soll es werden.

Vitenius habe vermittelt, in den richtigen Momenten eingegriffen und die Rolle des Bezirksbürgermeisters so ausgefüllt, wie es sein soll - sagt Joachim Knorr, als CDU-Fraktionssprecher eigentlich im anderen Lager zu Hause. „Ich wünsche ihm alles Gute, vor allem gesundheitlich und dass er der BV treu bleibt.“ Auch Gerta Siller, seit Jahren für die Grünen dabei, spricht vom „nettesten Sozialdemokraten, den ich kenne“. Vitenius habe immer das Gemeinwohl im Blick gehabt, keine Parteipolitik betrieben und immer versucht, einen Konsens im Stadtteilgremium zu finden. „Das ist ja die Aufgabe eines Bezirksbürgermeisters, der ja von allen gewählt wird“, so Siller.

Lobende Worte, die Vitenius gerne hört, aber auch als Bestätigung seiner Arbeit sieht. Und als Zuschauer, kündigt er an, wolle er sicher hin und wieder vorbeikommen. So ganz lassen kann er nicht.

Dabei ist der Mitbegründer und Ehrenvorsitzender des Kreuzpfadfinderbundes in Wuppertal, was die Politik angeht, ein Spätstarter. Erst 1982 trat er der SPD bei. Verbunden sei er der Partei schon vorher gewesen, aber Mitglied, „nein, das ging ja nicht“, erklärt der Hobby-Autor, der bislang sechs Pfadfinderbücher veröffentlicht hat. Denn ehrenamtlich war er unter anderem lange Jahre Leiter des Stadtjugendrings. Eine Funktion, die er von einer politischen Rolle strikt trennen wollte.

Keine Lösung
für das Dauerthema Parken

In seiner politischen Arbeit sei oft Geduld gefragt gewesen. Dauerthemen habe es viele gegeben, den Döppersberg etwa oder den Bunker am Ölberg, wo sich zu seinem Leidwesen immer noch nichts getan hat. Dass er aber lange überlegen musste, dass ihm ein Beispiel für Projekte, die nicht realisiert wurden, überhaupt eingefallen war, „ist doch auch ein gutes Zeichen“. Vieles hätten er und die BV anstoßen können, bei einigen Themen seien aber auch Grenzen gesetzt. Eine Lösung für das immer öfter aufkommende „Parkproblem“, das längst nicht mehr nur den Ölberg beschäftigt, „sehe ich auch nicht“. Damit müssten sich jetzt seine Nachfolger „mit rumschlagen“ schmunzelt er.

„Ein herzensguter Mensch“ gehe in die politische Rente, sagt Barmens Bezirksbürgermeister Hans-Hermann Lücke (CDU). Er schätze ihn und seine Arbeit sehr. Konkurrenzdenken, welcher jetzt der „wichtigere“ Stadtteil Wuppertals wäre, habe es nie gegeben, stattdessen Anstöße zu gemeinsamen Projekten. Einen kleinen Seitenhieb kann er sich aber nicht verkneifen. Vitenius habe bis zuletzt nicht gelernt, „dass es in Elberfeld kein Rathaus gibt“.

Vitenius lächelt ob der Spitze aus dem anderen Bezirk. Überhaupt sei es ein Abschied mit einem „weinenden, aber doch sehr viel lachendem Auge“.