Performance Bilder, Tänzer und Musiker vermischen sich in der Wuppertaler Börse
Wuppertal · „Zirkulation“: Geburtstagsgeschenk erinnert an besonderes Performance-Experiment
Neugierig werden sie gewesen sein, die zahlreichen Gäste der Musik-Tanz-Performance „Zirkulation“ am Wochenende, denn angekündigt war die Veranstaltung in der Börse als „unmöglicher“ Abend. Den Ort hatte ihm das Kulturzentrum zu seinem 50-jährigen Bestehen geschenkt. In Erinnerung an ein Ereignis, das vor 49 Jahren in der Börse schon einmal Musik (das finnisch-deutsche Freejazz Quartett: Detlef Schönenberg, Günther Christmann, Sakari Kukko und Teppo Hanta-Aho) und Tanz (Pina Bausch) in der Börse zum Performance-Experiment zusammengeführt hatte. Im Erdgeschoss gab der Geschäftsführer der Börse, Lukas Hegemann, den Gästen eine kleine Einführung, derweil sich aus dem Obergeschoss schon die Klänge von Saxophon, Violine, Viola und Akkordeon ins Bewusstsein der Ankommenden bohrten: melancholisch, penetrant, kakophonisch.
Eine Installation aus aufgetürmten Sesseln
„Die Performance hat bereits begonnen!“, schürte Hegemann Neugier und Unsicherheit; erste Besucher gingen, unsicher darüber, was sie erwarten würde, die Treppen hinauf. Oben waren die Cafeteria, der rote Salon, ein Toiletten- und Veranstaltungsraum zu Performance-Räumen umfunktioniert. Allerdings wollten die Tänzerinnen und Tänzer, die Musikerinnen und Musiker nicht in den ihnen anfänglich zugeteilten Räumen bleiben – sie schossen durch Türöffnungen in Besuchergruppen, wanden sich auf dem Flurboden, traktierten Türrahmen mit den Fäusten oder umtanzten das schwarze Ledersofa, das als Solitär mitten im Raum stand.
In seiner Einführung hatte Lukas Hegemann auf eine Installation im roten Salon hingewiesen: ein Berg aus aufgetürmten Sesseln, die nicht als Sitzgelegenheit zur Verfügung stünden. Vor Ort wurden die Gäste unfreiwillig Teil der Performance von Clémentine Deluy, die hier, begleitet von Ute Völker am Akkordeon, die mit roter Gummikordel bespannten Sessel kraftvoll durch den Raum schoss. Das schien einem Gast beim Betreten des Salons eine passende Sitzgelegenheit zu sein, was bei den umstehenden Zuschauerinnen und Zuschauern eine Mischung aus stiller Amüsiertheit und Entsetzen auslöste. Deluy hingegen beeindruckte die unfreiwillige Interaktion mit dem Publikum nicht; sie kroch, wand sich, schoss raumgreifend durch die mit wenigen Spots akzentuierte Umgebung, erweiterte den Aktionsraum rasend bis ins Foyer des Obergeschosses und in die anderen Tanz-Räume.
In der Caféteria war Thusnelda Mercy, ehemalige Ensemblemitglied des Tanztheaters Pina Bausch und Teil der Tanz Station Barmen, in einer Haltung „eingefroren“, die sich zu einem Stillleben über einem Spiegel machte, der den Fall ihrer Haare nebst Fundstücken surreal duplizierte. Nur ab und zu zuckte ein Finger zu den melancholisch-eindringlichen, bisweilen hysterisch-schrillen Klängen des Saxophons, die Wolfgang Schmidtke dem imposanten Instrument entlockte.
Desorientiert, wirr, suchend bisweilen verzweifelt und aggressiv war der Ausdruck von Kenji Takagi, dessen knallgrüne Socken und Krawatte mit dem ebenfalls intensiv grün illuminierten Toilettenraum korrespondierten. Psychedelische Sphärenklänge der Violine, gestrichen und gezupft von Gunda Gottschalk, zerrten die Zuschauerinnen und Zuschauer mit in einen Strudel einer Kunstwelt jenseits der sicht- und erlebbaren Wirklichkeit.
Wie einen Fetisch umtanzte Pascal Merighi, ehemaliges Ensemblemitglied des Tanztheaters Pina Bausch und Teil der Tanz Station Barmen, das schwarze Ledersofa, durchmaß den Raum mit langen Schritten, kreiselnd, suchend mal bei sich, dann wieder sich verlierend zu den Klängen der von Werner Dickel rasend gestrichenen, geklopften, getrommelten und jaulenden Viola.
Kunstwelt jenseits der sicht- und erlebbaren Wirklichkeit
Im Verlauf der Performance mischten sich die Bilder, Tänzer und Musiker in den Umgebungen der verschiedenen Räume, folgten den Gästen, die sich wie die Hamelner Kinder durch die Klänge des Rattenfängers in die untere Etage musizieren ließen. Umziehen und Aufräumen vor Publikum, begraben unter einem Berg von Kleiderbügeln … dann schoben Thusnelda Mercy und Clémentine Deluy unter vermeintlicher Aufbietung aller Kräfte zwei symbolische Eisentüren auf, um die Zuschauer zum großen Finale aller Künstlerinnen und Künstler in die Veranstaltungshalle hineinzulassen.