Gesetzesänderung Bonpflicht: Angst und Unverständnis bei Händlern und Gastronomen

Wuppertal · Bäcker Dirk Polick sammelt täglich Unmengen an Thermopapier. Auch andere ärgern sich.

Bäcker Dirk Polick vor einem Berg gesammelter Kassenbons, die er am liebsten direkt nach Berlin schicken würde.

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Kassenbon fürs Körnerbrötchen?“ Noch lachen die Kunden bei dieser Frage, doch Bäcker Dirk Polick schätzt, dass schon in wenigen Tagen aus dem amüsierten Kopfschütteln eine Verärgerung wird. Die Kassenbonpflicht stört viele Händler und Gastronomen deswegen, weil sie seit dem 1. Januar rechtlich dazu verpflichtet sind, dem Kunden einen Kassenbon auszudrucken – ob der will oder nicht.

Dirk Polick schüttelt wegen des Umweltaspekts den Kopf: „98 Prozent wollen den Kassenbon nicht haben. Da produzieren wir sehr viel Müll.“ In den größeren Filialen der Bäckerei sammelt der Geschäftsmann täglich zwei Schuhkartons mit Kassenbons. Abfall, der nicht einfach recycelt werden kann, weil es sich um beschichtetes Thermopapier mit Bisphenol A handelt, das als krebserregend gilt.

„Das ist nicht zu Ende gedacht“, sagt Polick und überlegt sich bereits ernsthaft, in Eigenregie die Reißleine zu ziehen und die Bons gar nicht mehr pauschal ausdrucken zu lassen. Schließlich gebe es zurzeit noch keine Kontrollen. Und wenn schon – Polick verweist darauf, dass sein modernes Kassensystem sowieso schon alle Transaktionen speichert. „Warum dann noch das Papier?“

Neue Kasse hat Marktbeschicker
6000 Euro gekostet – „idiotisch“

Hossein Rajabpour verkauft seit 33 Jahren auf dem Elberfelder Neumarkt orientalische Feinkost. Für die WZ klappt er seine moderne Kasse auf und zeigt auf einen kleinen USB-Stick. „Den kann man jederzeit in einen Laptop stecken und weiß dann, was los ist.“ 6000 Euro musste der Selbstständige in diese neue Kasse investieren, schließlich droht seit dem 1. Januar 2018 der Fiskus spontane Kassenschauen an und die Kassen müssen gewisse technische Standards erfüllen.

Rajabpour versteht nicht, wie die neuen Maßnahmen realistisch vor Betrügereien schützen sollen. „Das ist idiotisch. Wer manipulieren möchte, kann das weiterhin machen.“ Schließlich erfasse die Kasse natürlich nicht, was im Austausch zwischen Kunde und Verkäufer wirklich passiert. Isabel Hausmann, stellvertretende Geschäftsführerin der Dehoga Nordrhein, fasst es so zusammen: „Die schwarzen Schafe finden eine Weg, aber die Ehrlichen werden mit dem System bestraft.“

Katharina Reschke, Inhaberin des Lokals Mangi Mangi in Elberfeld, ärgert sich über die bürokratischen Hürden, die kleinen Selbstständigen aufgebürdet werden. „Das macht keinen Spaß mehr. Wenn wir nicht so leidenschaftlich gern kochen würden, hätten wir schon längst aufgegeben.“ Sie empfinde die Kassenbon-Flut als große Umweltsünde: „Man kann doch nicht auf der einen Seite Klimagipfel abhalten und dann dieses ganze Thermopapier produzieren.“

Von großer Verunsicherung bei vielen Gastronomen spricht Marie Haus, Dehoga-Vorsitzende für Wuppertal: „Die Angst ist groß.“ Gerade kleine Selbstständige seien in Sorge, dass im Alltagsgeschäft einmal versehentlich etwas nicht akkurat abgerechnet wird und es dann irgendwann Probleme mit einem Kassenprüfer gibt. „Ihre“ Villa Media habe die Kassenbonpflicht zum Anlass genommen, das Bargeld ganz aus dem Hause zu verbannen – schließlich gelte die Pflicht nur bei Bargeldzahlungen.

Das neue System hat aber auch Unterstützer. Matthias Zenker, Vorstandsmitglied der IG1, sagt: „Ich befürworte die Bonpflicht.“ Schwarze Schafe hätten es jetzt schwerer, während sich für viele Einzelhändler gar nichts ändere. Schließlich würden moderne Kassen schon seit langer Zeit automatisch Bons drucken. Er findet nur: „Wichtig ist jetzt, dass die Bonpflicht auch überprüft wird.“

Die WZ hat sich umgesehen: Immer noch drucken einige Händler keinen Bon. Den Verbraucher stört es in der Regel nicht. Aber auch da gibt es Ausnahmen. Kundin Ursula Boll (65) etwa sagt: „Ich finde es gut, dass ich jetzt auch beim Bäcker genau sehe, was alles kostet.“ Sie finde das neue System transparenter. Und für Kundin Ana Braz (45) ist die Bonpflicht überhaupt nichts Neues: „Bei uns in Italien ist sogar der Kunde verpflichtet, den Bon anzunehmen.“ Dirk Polick denkt indes darüber nach, seine Bons ganz woanders loszuwerden – und sie einfach kartonweise nach Berlin zu schicken.