Wuppertaler Auslese Wie das „Buch der Wandlungen“ dem Wuppertaler Buchbinder Roger Green eine neue Richtung gab

Wuppertal · Der gebürtige Engländer Roger Green ist seit 40 Jahren Buchbinder und erzählt über die Faszination dieses Handwerks, wie er Buchbinder geworden ist und welche Rolle das alte, chinesische Werk "Yijing", das "Buch der Wandlungen" (eng. "Book of Changes") dabei spielte.

Der gebürtige Engländer Roger Green hat an der Kunsthochschule Brighton studiert und ist seit 1991 selbstständig in Wuppertal als Buchbinder tätig.

Foto: Roger Green

In einer Welt, die sich immer mehr ins Virtuelle verschiebt, wirkt das Kunsthandwerk des Buchbindens wie ein Gegenpol, ein notwendiges Gegengewicht. Pappe, Papier, Leder und Aluminium: Die Werkstatt von Roger Green gleicht einem kreativen Wunderland. Seit 40 Jahren ist Roger Green Buchbinder und spricht im WZ-Podcast über seinen Beruf.

Handwerklich und künstlerisch interessiert war der gebürtige Engländer schon immer. „Es war ein bisschen eine Abwägung, soll ich an die Uni oder soll ich an eine Kunsthochschule gehen?“ erzählt er. „Letztendlich habe ich, wie mein Bruder, Psychologie studiert. Aber hauptberuflich als Psychologe zu arbeiten, das war mir zu wenig.“ Wie es der Zufall manchmal will, sei dann ein Freund mit einem Buch und der Bitte, darauf einen Ledereinband zu machen, auf ihn zugekommen. „Dann habe ich den alten Einband abgemacht, geguckt, wie das gemacht wird, versucht, das nachzumachen. Dann habe ich den Ledereinband auch selbst für ihn bemalt.“ Ein besonderes Detail der Geschichte: „Das Buch war ‚I Ging’.“ Auch als ‚Yijing’ oder ‚I Ching’ bekannt. Dabei handelt es sich um ein sehr altes chinesisches Handbuch zur Orakelbefragung. „Es hat einen alternativen Namen: Das Buch der Wandlungen“, erzählt Green. Wahrlich passend. „Das es gerade dieses Buch war, das mein Leben in eine komplett neue Richtung gelenkt hat.“ Dann stand für ihn schnell fest, dass er an der Kunsthochschule in Brighton Buchbinderei studieren würde.

Die Buchbinderei ist ein altes Handwerk. Das Buchbinden bezeichnet in der Regel den letzten Arbeitsgang bei der Herstellung eines Buchs. Es umfasst etwa das Ordnen und Zusammenfügen der Seiten eines Buchs und versieht den Buchblock mit einem Einband mit anschließender Verzierung. Seit 1991 ist Roger Green als selbstständiger Buchbinder in Wuppertal tätig. Er versteht sich jedoch sowohl als Künstler, als auch als Handwerker, hat sich von Anfang an mehr in eine künstlerische, grafische Richtung spezialisiert. So waren Lithografie (ein sehr altes Flachdruckverfahren), Radierung, Fotografie ebenfalls Bestandteile des Studiums. „Ein guter Handwerker muss ein guter Künstler sein und umgekehrt“, findet er. Vorwiegend arbeitet er mittlerweile für private Sammler, fertigt Edeleinbände, macht spezialisierte Reparaturarbeiten und Restaurationen.

Das älteste Buch, an dem er gearbeitet hat, war gleichzeitig auch das schönste, erinnert er sich. „Das war ‚Kosmographie‘ von Sebastian Münster.“ Die erste Ausgabe erschien 1544. Es war die erste wissenschaftliche und allgemein verständliche Beschreibung des Wissens der Welt in deutscher Sprache. Mittlerweile ist es rund 50 000 Euro wert. „Ein fantastisches Buch. Ich muss sagen, wenn ich ein Buch haben könnte, das wäre es. Es war wirklich etwas Besonderes.“

Reparaturarbeiten für Antiquariate seien deutlich weniger geworden, die Preise drastisch gefallen. Ein Beispiel sei etwa die Brockhaus-Enzyklopädie. Eine erste Auflage sei vor rund 30 Jahren etwa 1500 Euro wert gewesen. „Wenn dann einige beschädigt waren, lohnte es sich, ein paar 100 Euro reinzustecken“, so Green. „Mittlerweile kriegt man alle 30 Bände für hundert Euro. Es lohnt sich gar nicht mehr, etwas zu machen, was wiederum tragisch ist. Die fallen auseinander und landen irgendwann im Container.“

Viel hat sich in der Buchbinderbranche getan. „Aussterben werden wir nicht, aber ich würde sagen, wir sind mehr auf einen gesunden Kern geschrumpft.“ Neben den Buchbindearbeiten gibt er auch Kurse und Workshops. Besonders erfreulich: „Das sind vorwiegend junge Menschen, die wirklich etwas Neues lernen wollen.“ Als Grund sieht er das Handwerk als eine Art Gegenpol zu einer Welt, die sich immer mehr ins Virtuelle verlegt. „Die sitzen den ganzen Tag vor dem Computer und die wollen einfach etwas Handwerkliches, Künstlerisches machen als Gegengewicht.“