Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Zurück in die Zukunft der bildenden Kunst
Wuppertal · Tine Lowisch überdenkt neue Formen einer künstlerischen Selbstorganisation.
Kunststation im Bahnhof Vohwinkel – schön war‘s … und, naja, ehrlich gesagt als Experiment auch ganz schön anstrengend. Aus diesem Grund geht es im neuen Jahr mit unseren Vorhaben erst einmal zurück ins eigene Atelier. Dort, unterm Haus, hinten im Hof, laden wir unsere Akkus immer wieder neu auf. So halten wir den Belastungen einer Solo-Selbstständigkeit in künstlerischen Berufen schon seit über 30 Jahren stand, und bei so alten Akkus wie unseren beschleunigen kurze Pausen bekanntlich den Ladevorgang. Vor allem, wenn es schnell gehen muss, denn schon im Mai planen wir, mit der Neuen Kunststation und einem frisch angepassten Konzept wieder durchzustarten. Die Räume der ehemaligen Expressgut-Abfertigung im Bahnhof Vohwinkel, die wir zehn Jahre lang als selbstorganisierte Projekträume für künstlerische Positionen in erster Linie der breiten Öffentlichkeit und erst dann den Kollegen und Kolleginnen kostenfrei und ehrenamtlich zur Verfügung gestellt hatten, stehen einschließlich Tunnel wieder leer. Diesmal komplett entkernt und besenrein, also erheblich aufgeräumter hinterlassen als vorgefunden, und darüber hinaus mit einer Aura versehen, die von denkwürdigen Kunsterlebnissen in Gemeinschaft erzählt. Mit diesen wertvollen Erinnerungen und der Erfahrung, die wir an einem Bahnhof gemacht haben im Gepäck, ziehen wir ein paar Straßen weiter und lassen dabei fürsorglich fünf „Artefakte der Identität“ zurück. So nannte Erik Schönenberg, Kurator und damaliger Vorsitzender des Neuen Kunstvereins Wuppertal, die Marmor-Skulpturengruppe von Eckehard Lowisch auf dem Bahnhofsvorplatz, als die Vorbereitungen 2014 für dieses Großprojekt anliefen. Kleines Gespenst, Alto, Seltene Erde, Big Red und Becky Thatcher (gelesen von links nach rechts) machen heute ein Prozent der 500 Skulpturen aus, die sich im Sammlungsbestand des Von der Heydt-Museums befinden.
Eine skulpturale Intervention mitten im öffentlichen Raum, 2015 genau auf diesen bewegten Ort bezogen, dabei über einen langen Prozess nach besten Kräften anmoderiert und nachhaltig integriert, ist nun schon seit 2019 in einen Kanon inventarisiert und somit in gute Hände abgegeben. Wenn Ihnen an den Skulpturen in Zukunft irgendetwas auffällt, diese vielleicht einmal gereinigt werden müssten, oder das nächtliche Beleuchtungskonzept, das auch für Sicherheit sorgt, punktuell ausfällt, wenden sie sich gerne an uns; wir leiten Ihre Anmerkungen dann an die zuständigen Stellen weiter. Apropos: Wie geht’s weiter? Vielleicht smart und dabei räumlich hermetisch? Vielleicht aber auch mobil-nomadisch? Oder vielleicht baut die Kunststation Wuppertal ein Archiv aller künstlerisch-aktivistischen Ansätze Wuppertals von 1929 bis heute auf? Gegen das Vergessen und als Grundlage für neue Strategien des Zeigens? Um da zu einer Entscheidung zu kommen, arbeiten wir jetzt erst einmal wieder in unserem Atelier und brechen ein paar Marmorplatten auf oder recyceln vielleicht einfach ein paar ältere Arbeiten mit neuen Ideen. Wir suchen jedenfalls immer nach neuen Bildern, auch für die Zumutungen, die aus unser aller Lebensweise resultieren. Denn wenn etwas die bildende Kunst zurück in die Zukunft führt, dann ist es der Stein. Wenn man dieses Material kenntnisreich und künstlerisch behutsam behandelt, teilt es sich nach unserer Erfahrung immer wieder neu und dabei auch immer wieder gerne neu mit.