Darum enthüllt der neue Döppersberg den Bahnhof
Die Umgestaltung des Zentrums schafft eine neue Sichtbeziehung, verdeckt aber auch einige der schönen Fassaden.
Wuppertal. Jede Medaille hat zwei Seiten. Das gilt auch für den neuen Döppersberg. Der Preis, den Wuppertal für sein neues Stadtzentrum zahlt, ist hoch. Finanziell schlägt die Investition mit derzeit circa 160 Millionen Euro spürbar zu Buche. Aber auch auf die Stadtentwicklung hat das Projekt erhebliche Auswirkungen. Es wird die Einkaufsströme neu lenken. Das treibt den Einzelhandel um, der sich in den vergangenen Jahrzehnten zwischen Klotzbahn, Herzog- und Poststraße in Richtung Döppersberg ohne die zusätzlichen bis zu 30 000 Quadratmeter Verkaufsfläche am Döppersberg sortiert.
Nun werden die Karten neu gemischt. Welches Blatt Elberfeld auf die Hand bekommt, ist dabei noch nicht ganz klar. Während Primark im nächsten Jahr mit seinen Billigtextilien am Markt sein wird, ist bisher unklar, wann und ob in der Bundesbahndirektion ein Factory-Outlet-Center eröffnet wird. Der Wettbewerb mit dem inhaltlich ähnlichen Projekt in Remscheid-Lennep könnte es schwierig machen, genügend attraktive Marken in das Wuppertaler Center zu bekommen. Das gilt allerdings auch umgekehrt, je nachdem, in welcher Stadt das Einkaufsparadies zuerst geschaffen worden ist.
Was entgegen aller möglichen Unbilden im Einzelhandel bereits deutlich wird, ist das neue Bild, das Elberfelds Zentrum in Zukunft abgeben wird. Dabei sticht vor allem das fünfgeschossige, geschwungene Primark-Gebäude heraus, das den Blick beherrschen wird. Es ist entgegen ursprünglicher Planungen nicht nur in der Grundfläche deutlich gewachsen, sondern nach und nach auch gut 20 Meter weiter nach Westen gerückt worden. Die Investoren des Gebäudes begründeten das mit den Fußgängerströmen zwischen Bahnhof und Köbo-Haus.
Liegt der Eingang zum Primark-Gebäude zu weit weg, sinke die Kundenfrequenz, so das Argument. Primark selbst sah darin in einem Gespräch mit unserer Zeitung zwar kein Problem. Aber niemand weiß, wie lange das Geschäftsmodell mit den sehr preisgünstigen Anziehsachen noch funktioniert. Und für anderen Einzelhandel ist die Nähe zur Geschäftsbrücke über die B 7 womöglich überlebenswichtig. Verwaltung und politischer Mehrheit im Rathaus leuchtete das ein, weshalb der entstehende Platz zwischen Hauptbahnhof, Primark-Gebäude und Bundesbahndirektion nun deutlich kleiner wird.
Obendrein haben Autofahrer aus Barmen in Richtung Robert-Daum-Platz nur noch einen kurzen Ausblick auf die Bahnhofsfassade — nachdem sie das Hotel Kaiserhof passieren, versperrt Primark die Sicht. Von der Bundesbahndirektion ist überhaupt nichts mehr zu sehen, bis ein Teil des Primark-Baus zurückgelassen wurde. Auch dann dürfte die Geschäftsbrücke das Panorama Richtung Westen dominieren. Das heißt im Falle Wuppertals allerdings nicht, dass moderne Architektur das Auge reizt. Die geplante kunstvolle Fassade der Geschäftsbrücke soll sich hinter Hinweisen verbergen, auf dass sich auf der neuen, achtspurigen Bundesallee unter der Brücke niemand falsch einordnen möge.
Für die meisten Besucher der Elberfelder Innenstadt wird der neue Döppersberg trotz Schildern über modernen Fassaden, trotz eines sehr weit nach Westen gerichteten Einkaufsklotzes, trotz eines viel kleiner geratenen Bahnhofsvorplatzes dennoch ein ästhetischer Gewinn. In diesem Zusammenhang sei an die Sichtachse erinnert, die sich noch vor wenigen Monaten vom Köbo-Haus auf den Hauptbahnhof bot. Sie war unterbrochen von einer Unterführung, die der Volksmund aus gutem Grund „Harnröhre“ getauft hat, und von Gestrüpp. Von der klassizistischen Fassade war so gut wie nichts zu sehen.
Insofern enthüllt der neue Döppersberg den Bahnhof, rückt ihn mehr denn je ins Zentrum. Umso besser ist es, dass der lieblose Vorbau das Bahnhofsgebäude nicht mehr verschandelt. Und die Zeiten des Hähnchenwagens sind auch vorbei. Also begrüßt und verabschiedet Wuppertal seine Gäste trotz der Döppersberg-Planänderungen bald großstadtwürdig.