Gesprächsrunde Im Alltag hat der Glaube viel Konkurrenz
In der Gemarker Kirche sprachen prominente Protestanten über ihr Leben mit Jesus Christus.
Wuppertal. Protestanten machen es sich nicht leicht mit ihrem Glauben. Just in dem Moment, in dem alle selig ergriffen zu sein scheinen von ihrem urpersönlichen Zugang zu Gott, zu Jesus Christus und zu den Zehn Geboten, kommt einer, und piekst ein wenig in die schöne, bunte Seifenblase.
So war das auch am Donnerstagabend in der Gemarker Kirche. Dort diskutierte der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), der sogenannte Kirchendiplomat, Martin Dutzmann, mit der Bundestagsabgeordneten Kerstin Griese (SPD), Antonia Dicken-Begrisch vom Trägerverein Alte Synagoge, IHK-Präsident Thomas Meyer und Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) darüber, wie und wo der Glaube ihren Alltag prägt.
Antwort: Fast überall, fast immer. So ist es dem Vernehmen nach bei den Sozialdemokraten Griese und Mucke, wenn sie sich mit der Armut in Deutschland und dem Elend der Welt beschäftigen, wenn 16 000 arme Kinder dem Oberbürgermeister den Schlaf rauben und Auslandseinsätze der Bundeswehr Griese schwermütig grübeln lassen.
So ist es, wenn Dicken-Begrisch in ihrem Beruf im NRW-Bildungsministerium Entscheidungen trifft, die „sich immer am einzelnen Menschen“ ausrichten. Es ist so, wenn Meyer in seinem Unternehmen mit Lieferanten, Kunden und vor allem seinen Mitarbeitern spricht unter dem Motto „man muss auch gönnen können“. Und beim Prälaten Dutzmann ist es von Berufs wegen sowieso nicht anders.
Wie schwer es der Glaube im Wettstreit mit dem Alltag hat, legte zum Ende einer mühsamen Gesprächsrunde der Ronsdorfer Pfarrer Jochen Denker mit einer einzigen Frage ans Podium bloß. Er wollte wissen, wann Jesus Christus einen Plan der Diskutanten im Alltag einmal korrigiert, wann also der Glaube vom falschen Weg geführt habe.
Antwort: langes Schweigen. Dann Erklärungsversuche, unbeholfen. „Klar, dass du diese Frage stellen musstest“, erwiderte Dutzmann. Unter den vielen Protestanten, die es sich mit ihrem Glauben nicht leicht machen, ist Denker einer der scharfsinnigsten. Dafür ist er bekannt und respektiert.
Zum 500. Jahrestag der Reformation setzt sich die Evangelische Kirche, mit sich selbst und mit Luther auseinander, kritisch und unbequem. Dass der Reformations-Truck in Wuppertal und sonst nirgends in NRW Station macht, erklärte Präses Manfred Rekowski vor allem mit dem Aufbegehren seiner Kirche gegen Hitler. Die Barmer theologische Erklärung ist 1934 dafür Ausdruck geworden. „Die Kirche war vielleicht nicht laut genug, aber sie war laut“, sagte Rekowski. „In Wuppertal weht der Geist der Reformation.“
In diesem Jahr feiern die Protestanten in vielfältiger Weise ihren Martin Luther, den Mann, der ihre Kirche begründete. Doch bei allem Stolz auf das, was Luther mit seiner Unbeugsamkeit erreicht hat, verhehlte Rekowski auch nicht den Antisemitismus, Luthers Worte, „die eine furchtbare Wirkung entfaltet haben“.