Stadtgeschichte Wo Goebbels sein Büro hatte

Elberfeld. · Unter dem Titel „Das braune Elberfeld – Von der Stadtbibliothek bis zum Bahnhof Steinbeck“ hat Michael Okroy als freier wissenschaftlicher Mitarbeiter der Begegnungsstätte Alte Synagoge durch die Elberfelder Innenstadt geführt.

Michael Okroy (rechts) zeigte den Teilnehmern welche Elberfelder Gebäude von den Nazis genutzt wurden.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Unter dem Titel „Das braune Elberfeld – Von der Stadtbibliothek bis zum Bahnhof Steinbeck“ hat Michael Okroy als freier wissenschaftlicher Mitarbeiter der Begegnungsstätte Alte Synagoge eine kleine Gruppe von Menschen durch die Elberfelder Innenstadt geführt. Er zeigte anschaulich die Geschichte der Gebäude, aus denen heraus die Nazis agierten.

Okroy startete an der Kasinostraße 1. In dem Gebäude, in dem sich heute ein Altenzentrum befindet, wurde 1860 zunächst ein evangelisches Vereinshaus gegründet. Nach dem Ende des ersten Weltkriegs wurde das Haus dann zur „Keimzelle der Wuppertaler NS-Bewegung“, so Okroy. Ab 1919/20 wurde es zum Treffpunkt und Versammlungsort Rechtsradikaler sowie militaristischer Vereine und antisemitischer Parteien. Nationalsozialistische Redner traten auf – darunter auch Adolf Hitler. Im Jahr 1922 kam er zunächst als „damals wenig bekannter Führer der NSDAP“, 1926 auf einer „Werbetour“ der NSDAP ein zweites Mal, begleitet unter anderem von Joseph Goebbels. Ab 1921 befand sich dann das Polizeipräsidium Elberfeld-Barmen in den zwei oberen Etagen des Hauses, ab 1933 eine Stelle der Gestapo. 1941/42 fanden zudem Versteigerungen des „Hab und Guts deportierter Juden“ statt.

Vom ehemaligen evangelischen Vereinshaus führte Okroy zur Wuppertaler Stadtbibliothek. „Die Nationalsozialisten haben nicht nur ihre politischen Gegner auf der Straße bekämpft, sie wollten auch den kulturellen Bereich gleichschalten“, berichtet Okroy. So kam es in der Stadtbibliothek regelmäßig zu Bibliotheks-„Säuberungen“, bei denen Literatur etwa von linken oder jüdischen Autoren „ausgemerzt“ wurde. Von Lehrern und Schülern Wuppertaler Oberschulen organisiert, kam es am 1. April 1933, also bereits vor der Bücherverbrennung im Mai 1933, zu Bücherverbrennungen auf dem Barmer Rathausvorplatz und am Döppersberg.

Als Ort, der der „Reorganisation der NSDAP“ diente, bezeichnete Okroy das Haus in der Auer Schulstraße 8. In den späten 1920er Jahren wandelte sich die NSDAP von einer Splitter- zu einer Massenpartei. Im Haus, in dem es eine NSDAP-Gaugeschäftsstelle gab, arbeitete 1926/27 Joseph Goebbels, der im Vorstand der Gauleitung war.

Auf die Frage, ob Goebbels auch in Wuppertal gewohnt habe, konnte Okroy auch die Straße nennen, in der er gelebt hatte. Generell blieb er kein Antwort schuldig.

An der Untergrünewalder Straße 2, befand sich eine „Rasseberatungsstelle“ des städtischen Gesundheitsamtes. Sie war Ausgangsort unzähliger Anträge zur Zwangssterilisierung, die verhindern sollten, dass Menschen Kinder bekommen, die nicht der nationalsozialistischen Rassenideologie entsprachen.

Auch die Villa Frowein im Deweerth´schen Garten war Schauplatz der NS-Zeit. 1938 bis 1945 arbeitete dort die NS-Kreisleitung. „Menschen konnten hier Anzeige erstatten, die danach an die Gestapo weitergeleitet wurde. Dann wurde ermittelt“, erläutert Okroy. Angezeigt wurden etwa politische Äußerungen, Zweifel an der Kriegsführung, aber auch die sogenannte „Rassenschande“, wenn nicht-jüdische Menschen sexuelle Beziehungen mit Juden hatten. „Das Ganze konnte bis hin zur Deportation in Vernichtungslager, beispielsweise Auschwitz, führen“, sagt Okroy.

Zuletzt führte Okroy zum Bahnhof Steinbeck. Von dort wurden ab 1941 mehr als 800 jüdische Frauen, Männer und Kinder in Ghettos und Vernichtungslager deportiert.