„Das Bunte habe ich vermisst“

Markus Baisch ist seit eineinhalb Jahren Chordirektor der Bühnen — und fühlt sich in Wuppertal wohl.

Foto: Andreas Fischer

Türkei, Ghana, Neustrelitz — Markus Baisch hat schon viele spannende Stationen hinter sich. Doch wenn er von Wuppertal redet, gerät er ins Schwärmen: „Die Stadt ist sehr spannend, lebendig und offen. Das Bunte habe ich in Mecklenburg-Vorpommern vermisst.“ Seit eineinhalb Jahren arbeitet Baisch als Chordirektor der Wuppertaler Bühnen. Außer dem Opernchor und dem Extrachor leitet er auch den Kinder- und Jugendchor sowie einen Projektchor für die Mammutaufführung „Das Labyrinth“ nächstes Jahr.

Schon früher hatte Baisch überlegt, nach Wuppertal zu kommen — wegen der damaligen Umbauarbeiten am Opernhaus jedoch davon Abstand genommen. Stattdessen wirkte er ab 2006 in der Türkei. Dann lud ihn der Intendant Berthold Schneider ein, sich in Wuppertal zu bewerben. Seitdem bereitet Baisch nicht nur die Chöre auf ihre Auftritte vor, sondern dirigiert auch regelmäßig Opernvorstellungen, etwa My Fair Lady sowie Hänsel und Gretel.

Zudem engagiert sich Markus Baisch stark in Ghana. 2007 hatte er das National Symphony Orchestra Ghana kennen gelernt, als er ein Jubiläumskonzert für eine Fluglinie dirigierte. Dort bedrückte ihn die große Armut. „Die Kinder haben keine Perspektive außer Wasserflaschen auf der Straße zu verkaufen.“ Da gleichzeitig das Orchester dort Nachwuchsprobleme hatte, kam Baisch auf die Idee, Jugendlichen das Spielen eines Instruments beizubringen.

Gemeinsam mit Sängern seines Darmstädter Chores gründete er im Verein „Musiker ohne Grenzen“ eine Arbeitsgruppe „Accra“. Jedes Jahr verbringt Baisch zwei Wochen vor Ort, singt mit den Kindern und hält die Organisation am Laufen.

Darüber hinaus finden er und seine Mitstreiter jedes Jahr zwei bis sieben junge Instrumentalisten — meist Abiturienten, die vor dem Studium etwas Sinnvolles leisten wollen — die ein Jahr in Ghana verbringen. Sie wohnen dort in einem Trommelzentrum und unterrichten Kinder aus dem umliegenden Slum, aus Waisenhäusern und Partnerschulen im Geigen- und Cellospiel, aber auch an Blasinstrumenten.

Der erste Einheimische aus dem Projekt spielt inzwischen im National Symphony Orchestra mit. Um die Arbeit zu ermöglichen, sammelt Baisch alte Streichinstrumente. „Ein Problem ist auch der Transport der Instrumente nach Afrika.“ Die gesamte Organisation des Projektes verschlingt sehr viel Energie und Zeit — „aber es macht unglaublich viel Spaß“. Ein Dokumentarfilmer hat gerade einen Beitrag über das Projekt gedreht, der intensive Eindrücke vermittelt.

Neben seinen vielen Projekten hat der Chorleiter auch zu Hause einen neuen Anlaufpunkt: Vor einem halben Jahr hat seine Frau, eine belgische Sängerin, die gemeinsame Tochter Louise geboren. So entdeckt die junge Familie von ihrem Wohnort Vohwinkel aus die Gegend ganz neu.

Zum Opernhaus pendelt Baisch meist per Bahn oder Fahrrad. Auch das gehört zum großstädtischen Flair, das Baisch nach seiner Zeit in Neustrelitz schätzt. „Und hier kann ich mein Türkisch endlich wieder pflegen.“ Gerade hat er auch ein Buch über seine Zeit in der Türkei veröffentlicht: Während seines Aufenthalts dort hatte er auf Wunsch seiner Freunde immer wieder Rundmails mit Beobachtungen, Anekdoten und musikalischen Erlebnissen geschrieben.

Wegen der großen Nachfrage hat er diese Mails zu einem Buch erweitert. „Maestro. . . das hier ist die Türkei — ein deutscher Dirigent als Gastarbeiter in der Türkei“ ist seit Anfang Februar auf dem Markt. Trotz der schwierigen politischen Situation in der Türkei findet der Dirigent: „Das ist ein tolles Land!“