Begrabt mein Herz in Wuppertal Das Internet bietet Chancen für eine Karriere im Rentenalter

Uwe Becker erklärt, warum er für die CDU YouTube-Videos machen will.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic.

Foto: Joachim Schmitz

Nach den katastrophalen Wahlergebnissen für die SPD und die CDU bei der Europawahl und dem Kommunikationsdebakel um das Anti-CDU-Video des Wuppertaler Youtube-Stars Rezo fordert nun der CDU-nahe Verein „cnetz“, eigene YouTube-Stars aufzubauen, um den Grünen und unserer Jugend mit coolen, aber megakonservativen Politvideos mal richtig zackig und modern die Meinung zu geigen. Musikalisch will man die Videos auch noch mit der coolsten und angesagtesten Musik, die derzeit auf dem Markt ist, untermalen. Fachleute für Videoproduktionen findet die CDU bestimmt an jeder Ecke, und das nötige Kleingeld, wie man so schön sagt, haben sie dafür ja auch.

Ich glaube, so könnte die Vorsitzende der Christdemokraten, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, auch auf die Reglementierung der jungen Generation im Internet verzichten, wenn ihre Partei jetzt ihrerseits mit eigenen, bekannten YouTube-Stars dazu aufruft, die CDU zu wählen. Meinungsfreiheit ist ja auch ein hohes Gut, welches wir alle gemeinsam schützen sollten, gerade jetzt, wo wir doch vor wenigen Tagen den 70. Geburtstag unseres Grundgesetzes gefeiert haben. Ich glaube, dass sich der eine oder andere Jugendliche hierdurch für die CDU begeistern ließe.

Der einseitigen Meinungsmache durch Internet-Stars muss etwas entgegengesetzt werden, da bin ich als lupenreiner Demokrat ganz klar auf der Seite der Konservativen, man sollte aber nicht den Fehler begehen, nur junge Youtube-Stars aufzubauen, daher habe ich beschlossen, mich als älterer Youtube-Star und ausgeschlafener Influenzer bei der CDU zu bewerben. Die Erfahrung im Alter darf auch in diesem Berufszweig nicht unterschätzt werden. Ich werde mich jedenfalls bemühen, den richtigen Ton zu treffen, damit die Jugendlichen mich richtig krass und mega finden, und mir nicht „Back dir ein Eis“ zurufen, was „Texte mich nicht zu“ bedeutet.

Natürlich muss ich mich vorher akribisch in die Materie einarbeiten, schließlich habe ich gerade erst meinen Video-Rekorder daheim entsorgt und durch einen DVD-Player ersetzt (Freu!). Gestern habe ich ein kleines Loch in die Wohnzimmerwand geschlagen, damit mein DSL-Router mir das Internet drahtlos auch ins Schlafzimmer ohne Bildstörung übertragen kann – diese W-Lan-Kabel werden ja auch immer kürzer. Ja, es ist eine moderne Zeit, in der wir leben, aber man kann mitmachen, wenn man ein wenig Interesse zeigt.

Meine Bewerbung als Youtuber passt für mich punktgenau, da ich nun Fast-Rentner bin und ab sofort nicht mehr als Koch in einer bekannten und großen Szene-Gaststätte an der Luisenstraße arbeite. Aufgrund meiner bescheidenen Renteneinnahmen muss ich allerdings weiterhin für die Lügenpresse und tendenziöse Faktenmagazine journalistisch tätig sein. Meine guten Kontakte zur Bergischen VHS und dem Fachbereichsleiter für Politik, Geschichte, Umwelt, Dr. Detlef Vonde, werde ich nutzen, um mich minutiös und kompetent beraten zu lassen, welche Kurse für mich am besten geeignet sind, um mir eine gute Basis zu schaffen, damit ich das Handwerk des Internets schnell erlerne. Vielleicht nicht ganz so schnell, wie die fröhlichen Grundschüler, die in Null-komm-Nix plötzlich im Darknet surfen, Pornofilme streamen oder ein digitales „Hütchenspiel“ programmieren können, das wäre auch zu viel verlangt.

Also, das Programmieren, das werde ich wohl nie lernen, da bin ich schon froh, wenn ich auf der Fernbedienung von meinem Fernseher die Programme, die ich gerne schaue, ARD, ZDF und Arte, direkt hintereinander legen kann.

Aber egal, als CDU-Youtube-Star muss ich ganz andere Dinge können: Ich muss die Menschen überzeugen, begeistern und mitnehmen. Ich garantiere der CDU, dass ich auf meinem neuen Youtube-Kanal Follower ohne Ende haben werde. Follower sind Menschen, die einen verfolgen, oder besser gesagt, die einem folgen, aber nicht auf der Straße, sondern in diesem Internet.

Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden, aber wenn die Christdemokraten mir vertrauen und mich verpflichten, damit ich ihre Partei in eine sichere, digitale Zukunft führen kann, dann haben sie bald gar keine Wähler mehr – aber das bleibt natürlich unter uns, gell? Smiley!