Vinyl Das schwarze Gold in Elberfeld

Schallplatten sind Liebhaberstücke — aber auch im Alltag angekommen. Marcel Keyser verkauft sie in der Mirke.

Foto: Stefan Fries/dpa

Mirke. Es ist ein bisschen wie im Wohnzimmer, wenn ein Besucher zu Marcel Keyser (28) in den Laden kommt. Rechts steht ein großes Plattenregal auf Metallstangen, links 70er Jahre-Schränke in Grün und Gelb, darauf zwei Plattenspieler und ein Mixer. Es läuft Afrobeat-Musik aus Berlin. Marcel Keyser sitzt am Tisch, an dem zwei Stühle stehen und spricht vom Laden und seinen Platten.

Sein Geschäft „Vacation Records“ an der Mirker Straße 43 liegt verborgen im „Patina“, gegenüber dem Mirker Bahnhof — zwischen Altbau und alternativ. Dabei sind Platten Alltagsware. Denn die gibt es nicht nur in Nischengeschäften, sondern auch bei Saturn und Müller — neben Handcreme und Shampoo.

Keyser gefällt das nicht. Für ihn gibt es einen besonderen Anspruch an das Medium Vinyl — oder vielmehr an Musik an sich. Für ihn geht es um Wertschätzung gegenüber den Künstlern und Labels, gegenüber der Kunst. Das könne ein Filialist nicht. „Vinyl muss den Plattenläden überlassen werden.“ Nur dort gebe es das Fachwissen und das Interesse an der Musik. Keyser ist Musikhändler aus Überzeugung.

In seinem Laden verkauft er „hauptsächlich Weltmusik und Tanzmusik“, sagt er. Im Regal finden sich Kategorien wie Exotic Dance Music und Turkish/Oriental. Er möchte „schon ausgewählte Sachen verkaufen, besondere Platten“, sagt er. Seine Ware kommt von überall auf der Welt. Ebenso wie die Idee für den Laden nicht hier geboren ist. Keyser war auf Weltreise, ist zwei Jahre durch Asien, den Nahen Osten und Europa gereist, als er sich in den Kopf gesetzt hat, einen Plattenladen zu eröffnen, das Hobby zum Beruf zu machen. Im Juli gibt es den Laden, der nach dem Urlaub (Vacation) benannt ist, seit einem Jahr.

Seine Ware besorgt er sich von den Künstlern selbst oder über kleine Labels — mit großen Vertrieben arbeitet er nicht zusammen. Musik aus den Charts findet man bei ihm nicht. Anders als bei Müller, die sich zu diesem Segment nicht äußern wollten, und Saturn, die auf eine Anfrage nicht geantwortet haben. Dabei bringen die neuen, erfolgreichen Platten der Musikbranche gute Umsätze. Zuletzt hat der Bundesverband Musikindustrie ein Wachstum von 40,1 Prozent bei Vinylverkäufen gemeldet — und damit einen Anteil von 4,4 Prozent am gesamten Musikmarkt.

Das mag mehr an den Filialisten liegen als an Keyser, aber Keyser zeigt, wie viel Herzblut und Idealismus an der Schallplatte hängen kann. Keyser hört selbst nur Platten. Er hat gar keine MP3-Dateien.

Und er betreibt seinen kleinen Plattenladen nebenbei. Vacation Records hat nur freitags und samstags für ein paar Stunden geöffnet — weil Keyser eigentlich noch zwei andere Jobs hat. Er steckt aber alle seine Zeit in den Laden. „Wenn ich zu Hause am Rechner bin, gucke ich nur nach Platten und wo ich sie zu welchem Preis bekommen kann“, sagt er.

Dass die Umsätze mit Platten steigen, freut ihn. Trotzdem gebe es noch viel zu tun. „Es legen noch zu viele DJs ohne Platten auf.“ Aber es geht ihm nicht nur um das Vinyl an sich, sondern auch um das drumherum. „Man muss die richtig sammeln“, findet er. Außerdem gehe man bewusster an die Musik heran, wenn man sie auflegen muss, statt nur eine Taste zu drücken. „Man muss dafür aufstehen, eine Platte heraussuchen, sie herausholen, auflegen und nach kurzer Zeit auch noch wenden“, beschreibt Keyser die Zeremonie dabei. Musik als reines Konsumgut? Nicht für ihn.

Das Hinterzimmer an der Mirke soll es nicht gewesen sein für Keyser. Er denkt darüber nach, sich zu vergrößern — richtig mit Theke im Laden, professionell eben. Aber nicht so schnell. Platten verkaufen ist wie Platten hören — ganz bewusst, mit Zeit und Ruhe.