Demenzparcours: Wenn Einkaufen zur Herkulesaufgabe wird
An zwölf Stationen hilft der Demenzparcours Angehörigen, sich in die Situation Erkrankter hinein zu versetzen.
Wuppertal. Die Welt dreht sich wie nach zu viel Alkohol. Die Hände machen nicht mehr das, was das Gehirn ihnen sagt. Alltägliche Dinge wie Kaffeekochen werden zur unlösbaren Aufgabe und Wörter bekommen eine andere Bedeutung. Demenz verändert Menschen und für die Angehörigen sind die Krankheitssymptome meist nur schwer nachzuvollziehen. Damit ihnen das Nachempfinden leichter gemacht wird, hat die Stiftung Tannenhof bereits 2006 einen „Demenzparcours“ entwickelt.
An zwölf Stationen können gesunde Menschen Übungen absolvieren, um sich wie ein Demenzpatient zu fühlen. Im CBT Wohnhaus Edith Stein an der Meckelstraße war der Parcours für einige Tage der Öffentlichkeit zugänglich. Warum kann der Vater plötzlich die Jacke nicht mehr zuknöpfen? Warum holt er statt seines Huts eine Dose? Der Demenzparcours orientiert sich an verschiedenen Krankheitsbildern der Demenz und macht sie erlebbar. Apraxie, also Handlungsstörungen, oder Aphasie, Sprachstörungen, gehören zu den häufigsten Symptomen. Entsprechend sind die Übungen aufgebaut. Als Einstieg wählen die meisten eine simple Übung: Nur mit Blick in einen Spiegel, denn die Hände stecken in einer Kiste, soll ein Stern nachgemalt werden.
Das klingt simpel, doch schnell stellt sich bei den Probanden Frustration ein. Das Gehirn bekommt es nicht hin, den Händen die Kommandos richtig weiterzuleiten. Zigzag, nach oben, nach unten, der Stift malt überall, nur nicht in der Sternform. Während der Hintermann schon drängelt, wächst die Verzweiflung.
Warum klappt das nicht? „Gerade Männer verlieren hier schnell die Geduld und werfen den Stift hin“, erzählt Susanne Bäcker vom Demenz-Servicezentrum Bergisches Land, das bei der Stiftung Tannenhof in Remscheid angesiedelt ist. Gemeinsam mit zwei Kollegen bietet sie telefonische Beratung rund um die Demenz.
Auch der Demenzparcours gehört zum Aufgabenbereich des Servicezentrums. Auf Festen, in Einkaufszentren oder in Altenheimen kommt er zum Einsatz, um gesunde Menschen für das Thema Demenz zu sensibilisieren. Seit einiger Zeit kann der Parcours auch ausgeliehen werden. Wer nach der Übung mit dem Stern noch nicht aufgibt, kann eine der weiteren elf Stationen absolvieren, zum Beispiel „Einkaufen“. Mit einer Rauschbrille auf den Augen soll man einkaufen. Vorher gilt es aber noch, eine mündlich vorgetragene Liste auswendig zu lernen, die aus lauter unverständlichen Worten besteht. „Lokoschade“ und „Tobastrot“ soll man nach Hause bringen. Spätestens beim Versuch zu bezahlen, obwohl man durch die Brille kaum etwas erkennen kann, geben viele auf. „Das zeigt, wieso manche Demenzerkrankte aggressiv werden“, verdeutlicht Susanne Bäcker.
Wer es schafft, alle Selbstversuche zu absolvieren, bekommt einen ganz anderen Blick auf die Krankheit und mehr Verständnis für die Erkrankten.