Bergische Universität Der Bergische Dreiklang
Architektin Annemarie Neser über die Farben in Wuppertals Architektur.
„Farben definieren in der Architektur Volumen, betonen Bauteile, setzen Flächen ab oder heben sie hervor“, sagt die promovierte Architektin Annemarie Neser, die seit Oktober 2018 die Professur für Baukultur und Raumgestaltung in der Fakultät Design und Kunst der Bergischen Universität innehat. Sechs Jahre war sie Leiterin des Werkraums Berlin für das Zürcher „Haus der Farbe“ und beschäftigte sich mit Architekturfarbigkeit sowie Farben im historischen Kontext. „Farben unterstützen die architektonische Form oder sie wirken subversiv entgegen.“
In Wuppertal dominieren laut Neser eher unbunte Farben das Stadtbild, „also beige, weiße, graue oder braune Töne bis hin zu Anthrazit. In Wuppertal und dem Bergischen Land ist die regional typische Mischung der Bergische Dreiklang, das besondere Gemisch aus Weiß, Grün und Grau-Schwarz“.
Retrospektiv lassen sich farbliche Trends gut identifizieren, die dann jeweils als epochentypisch gelten können. „Es ist immer wieder ein Wechsel zwischen farbintensiven Zeiten und unbunten Materialfarben bevorzugenden Zeiten zu beobachten.“
Wuppertals Altstadtbereich mit seinem Briller Viertel und der Luisenstraße bietet eine Fülle historischer Bauten, deren ursprüngliche Farbigkeit heute kaum noch zu erkennen ist. „Ich bin überzeugt davon, dass die gründerzeitliche Farbgebung sehr viel differenzierter war und dass Baudetails wie Gesimse, Friese, Lisenen farblich akzentuiert waren, denn das ist typisch. Sockel, Stockwerke oder Fensterachsen wurden in gründerzeitlichen Bauten farblich gegliedert.“ Letztlich komme das immer auf die Entstehungszeit des Bauwerkes an, erläutert die Bauhistorikerin, denn auch im 19. Jahrhundert gab es Farbepochen. „Das hängt damit zusammen, dass das historische Wissen zunahm und die Farbenchemie sich entwickelte.“ So waren neue Erkenntnisse über die Farbigkeit an griechischen oder römischen Tempeln vielfach Grundlage für Farbfassungen an Fassaden bis in die 1870/80er Jahre. Zum Ausgang des Jahrhunderts wurden dann eher gedämpfte, stumpfe Farbtöne bevorzugt.
Wie es also genau unter den Fassaden aussieht, bleibt zunächst ein Geheimnis und bietet vielleicht Stoff für ein neues Forschungsprojekt. „Da müsste man mit der Denkmalspflege ausführliche Untersuchungen machen“, sagt Neser, „denn wie strategisch die Bauherren in Wuppertal vorgegangen sind, bleibt erst mal unter der weißen Tünche verborgen. Ich glaube, dass viele heutige Eigentümer sehr verblüfft wären, wenn sie in einer Visualisierung sehen würden, wie das Gebäude ursprünglich ausgesehen haben könnte.“
Am Stadtsparkassenturm scheiden sich seit langem die Geister und doch ist das Denkmal ein beeindruckendes Bauwerk. Nach Plänen des Architekten Paul Schneider-Eisleben 1973 entstanden, empfindet Neser dieses Bauwerk als „hochspannend“ und spricht von einem „qualitätvollen, skulpturalen Stadtkörper“. „Als ich das erste Mal nach Wuppertal kam, zur Zeit des großen Döppersbergumbaus, habe ich diesen schlanken, hochreckenden Baukörper entdeckt. Für mich war er eine reizvolle Vertikale über dem horizontalen Band der Schwebebahn. Er hat mir durch seine ästhetische Ausgewogenheit und die Stimmigkeit des Zusammenspiels der drei Bauvolumen imponiert. Ich mag diese Kargheit, diesen Purismus und auch das Zeigen der Konstruktion.“