Der blaue Reiter ist gefallen

Multimedia-Stück über die Freundschaft zwischen Else Lasker-Schüler und Franz Marc in den Räumen der Concordia.

Foto: Stefan Fries

„Der blaue Reiter ist gefallen, ein Großbiblischer, an dem der Duft Edens hing. Über die Landschaft warf er einen blauen Schatten.“ Den ergreifenden Nachruf schrieb die exzentrische Wuppertaler Dichterin Else Lasker-Schüler im März 1916 auf ihren Freund Franz Marc. Der Maler, bekannt durch seine expressionistischen (Pferde-)Bilder und Begründer der Künstlervereinigung „Blauer Reiter“, fiel als Soldat im 1. Weltkrieg. Mit seinem Tod endete auch eine Künstlerfreundschaft, die ihren Niederschlag in einem faszinierenden, wort- und bildreichen Postkarten-Dialog, in Tagebucheinträgen und politischen Reden fand. Thema eines Multimedia-Stücks, das diese Woche in den Räumen der Wuppertaler Gesellschaft Concordia gezeigt wurde, bevor es im Oktober im Rahmen des 22. Else Lasker-Schüler-Forums in Ascona aufgeführt wird.

In dem Nobelort mit seinem mythischen Monte Verità trifft sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Who’s Who der europäischen Intellektuellen. Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft lädt nun zum zweiten Mal in die Schweiz und weist auf die vielfältigen Bezüge zur Stadt an der Wupper hin: Lasker-Schüler lebt hier Mitte der 30-er Jahre 13 Monate lang. Der Bankier und Kunstsammler, Eduard von der Heydt, kauft den Wahrheitsberg, um 1927 einen Hotelneubau zu errichten. Die Frauenrechtlerin und Autorin Helene Stöcker kommt 1933. Ein Ort, wie gemacht für das Stück des Wuppertaler Literaturwissenschaftlers Heiner Bontrup, das der einzigartigen Feundschaft von Marc und Lasker-Schüler ein Denkmal setzt. Und das nun von Wuppertaler Künstlern zum Leben erweckt wird.

Das Stück „Der Blaue Reiter ist gefallen: oder Europa am Abgrund“ ist eine Reise in eine Welt des Umbruchs, an der Nahstelle zwischen der alten Welt und den Kräften der Moderne. Anfang des 20. Jahrhunderts taumelt die Welt und mit ihr viele Künstler, so auch ´Franz Marc, voller Begeisterung in die Katastrophe Weltkrieg. „Um Reinigung wird der Krieg geführt“, sagt der Künstler zu Kriegsbeginn noch enthusiastisch. Doch schon bald stocken ihm angesichts des Elends der Soldaten die Worte. Hundert Jahre später nähert sich die Welt wieder dem Abgrund.

Die beiden Doppelbegabungen Lasker-Schüler (alias Prinz Jussuf) und Marc (alias blauer Reiter) treffen 1912 in einem Berliner Café aufeinander. „Wir beide waren elementar, wollten den Schleier wegreißen, Du in der Malerei, ich mit Worten“, sagt die Kölner Schauspielerin Margaux Kier in der Rolle Lasker-Schülers.

Ihr zur Seite stehen der Wuppertaler Schauspieler Oliver Reitz als Franz Marc und die französische Pina Bausch-Tänzerin Chrystel Guillbeaud, die Lasker-Schüler, ihren Worten und Gefühlen, tänzerisch starken Ausdruck verleiht. Einziges Utensil: ein Rhönrad.

Produziert wird das Stück mit seiner magisch-beklemmenden Mischung aus Wort, Musik, Tanz und Film vom Theater Anderwelten. Der Wuppertaler Musiker Charles Peterssohn spannt zusammen mit dem Pianisten Marc Reichow einen musikalischen Bogen von Maurice Ravels La Valse über Blue und orientalische Musik bis hin zu John Cage — gibt den Emotionen der Protagonisten einen reizvollen Resonanzboden. Der Wuppertaler Videokünstler Mirco Müller schließlich verstärkt die sich zuspitzende Situation mit Originalaufnahmen von Kriegsgrausamkeiten oder Zeppelinabstürzen, die auf einer großen Videoleinwand gezeigt werden. Dazwischen werden von Franz Marc gemalte Bilder eingeblendet.

Das Publikum folgt dem Geschehen gebannt, hochkonzentriert, erlaubt sich erst nach dem Ende der Reise begeisterten Applaus.