Der intensive Geist der Literatur

4. Literaturbiennale: 33 Veranstaltungen, darunter auch Premieren, zum Thema „#SchönLügen“.

Foto: Andreas Fischer

Literatur kann nicht nur glücklich, sondern auch stolz machen — davon sind die Organisatoren der Wuppertaler Literaturbiennale überzeugt. Vom 6. bis 19. Mai findet sie zum vierten Mal statt. Mit 33 Veranstaltungen, die an 24 über das Stadtgebiet verteilten Orten stattfinden. Mit Lesungen, Foren und Diskussionen. Mit einem starken und aktiven lokalen Netzwerk — darunter viele wichtige Kräfte der Wuppertaler Literaturszene. Mit einem anerkannten Literaturpreis, der an Nachwuchsautoren vergeben wird. Und mit einem Alleinstellungsmerkmal, das sie von anderen Events rund um Bücher und (Vor-)Lesen abhebt. „Wir haben eine programmatische Ausrichtung“, betont Kulturdezernent Matthias Nocke. Die lautete vor zwei Jahren „Utopie Heimat“ und lockte 3000 Besucher an. 2018 hofft man mit „#SchönLügen“ das Interesse zu wecken. Gestern wurde das Programm vorgestellt.

„Wir suchen nicht, wer gerade Zeit hat, sondern wer in unsere inhaltliche Ausrichtung passt“, erklärt Kulturbüroamtsleiterin Monika Heigermoser selbstbewusst. Mit #SchönLügen hat das Team vor anderthalb Jahren noch in der Vor-Trump-Zeit ein Thema gewählt, das eine Grundaufgabe der Literatur, das Erfinden von Geschichten, aufgreift und gleichzeitig hochaktuell ist. Autor Torsten Krug: „Literatur schafft Fiktion und kann auf inhaltlicher Ebene die Kompetenz schaffen, um Lüge von Wahrheit zu unterscheiden.“

Das Programm bestreiten prominente und weniger prominente Autoren. Den Auftakt macht Bodo Kirchhoff, der noch unveröffentlichte Texte zum Thema Lüge vorstellt. Michael Stavaric liest aus seinem Roman „Gotland“, in dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Jonas Lüscher stellt „Kraft“ vor, das der Frage nachgeht, „ob Technik die Welt besser machen kann“, sagt Dr. Katja Schettler vom Katholischen Bildungswerk. Maresa Lühle und Thomas Braus nehmen sich in ihrer Lesung Anne Webers und Ingo Schulzes jüngster Werke an, die genussvoll mit Wahrheit und Lüge spielen.

John von Düffel erzählt in „Das Klassenbuch“ auf heitere und spannende Weise, „wie die Jugend sich mit dem Wahrheitsbegriff auseinandersetzt“, erklärt Gerold Theobald von der Goethe-Gesellschaft, der sich besonders über Irene Disches Kommen freut, da diese nur wenige Lesungen mache. Sie bringt „Zum Lügen ist es nie zu spät“ mit. Sten Nadolny liest aus „Das Glück des Zauberers“, ein „optimistisches Buch, in dem die Lüge als Wahrheitselement eingesetzt wird“. Der große alte Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann steuert mit seiner Autobiografie „Warte nicht auf bessre Zeiten“ Lügenerfahrungen aus einem Staat (DDR) bei, der unbedingt einer Ideologie folgen will und sich die Wahrheit zurechtbiegen muss.

Es gibt mehrere Premieren: Eine Lesung bestreiten Autoren der wiederbelebten Bergischen Literaturzeitschrift „Karussell“. Ort ist die Zentralbibliothek, die zum ersten Mal und mit drei Veranstaltungen mitmacht. Arnold Gálvez Sua ez aus Gutemala liest aus unveröffentlichten Erzählungen, die Studierende übersetzen werden. Dem Schriftsteller Hermann Schulz wird die Ehrendoktorwürde der Bergischen Universität verliehen. Romanistik-Professor Matei Chihaia: „Seine Übersetzungen sind unsere Visitenkarte.“ Außerdem liest Schulz aus seinem Werk „Angekommen“ und aus „Tram 83“, des kongolesischen Autors Fiston Mwanza Mujila.

Die Lyrik kommt auch nicht zu kurz: Jan Wagner kommt, und vier Autoren führen einen lyrischen Dialog. Diskussionsrunden widmen sich Bernd Ulrichs „Guten Morgen Abendland“, das sich mit den Selbsttäuschungen Europas auseinandersetzt, oder Hate Speech, die im Internet bereits Tradition hat.

„Literatur auf der Insel“ ist erneut Gast bei der Biennale. So arbeitet Chris Kraus’ Buch „Das kalte Blut“ die eigene Familiengeschichte auf, die im Nazideutschland beginnt. Und die frühere Preisträgerin Anja Kampmann stellt ihren Debütroman „Wie hoch die Wasser steigen“ vor. Heigermoser: „Hier bildet sich der intensive Geist der Literatur ab.“