Begrabt mein Herz in Wuppertal „Der muss mal hier weg!“
Uwe Becker lässt sich nach seinem Umzug Zeit mit dem Auspacken.
Wuppertal. Wenn sie diese Zeilen lesen, sitze ich in einem Strandpavillon irgendwo im Süden der Niederlande, trinke ein kühles Bier und esse Frikandel-Spezial mit einer Portion Pommes. Ob ich aber hier Ruhe und Entspannung finden werde, das ist noch nicht ganz sicher. Es ist nicht nur das Heimweh, das mich schon immer vor Reisen bereits beim Kofferpacken quält, nein, es ist auch die Sorge um meine vor gut einem halben Jahr bezogene neue Wohnung, die mich beunruhigt. Gäbe es für mich nicht viel Wichtigeres zu tun, als in Badehose am Strand zu liegen? Wäre es nicht an der Zeit, meinen Allerwertesten in Richtung Einwohnermeldeamt zu bewegen, um mich umzumelden? Nein, der feine Herr muss ja in Urlaub fahren.
Ich habe noch nicht einen einzigen Umzugskarton ausgepackt! Warum? Ich weiß es nicht und alle meine Freunde wissen es auch nicht. Mein neuer Kühlschrank steht noch verpackt im Treppenhaus, und ich habe große Angst, dass er nach meinem Urlaub nicht mehr da ist. Seit einer Woche steht meine Waschmaschine immerhin nicht mehr im Flur, sondern neben dem Fernseher im Wohnzimmer.
Gestern wollte ich die CD „Sgt. Pepper’s Loneley Hearts Club Band“ von den Beatles hören und habe die Suche nach zwei Stunden resignierend aufgegeben. In meiner Verzweiflung bin ich zu meiner Stammkneipe gegangen und habe den Wirt gebeten, das Full-Album auf YouTube zu suchen und es auf seiner Anlage für mich abzuspielen.
Ich habe zwar einen Internet-Anschluss, aber wo ist mein Router? Ein Internet-Cafe hier in der Nähe ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Gerne würde ich mir auch mal ein Spiegelei braten oder eine kräftige Hühnerbrühe kochen, aber wo sind Pfanne, Topf und Löffel? Da ich nur noch in Restaurants esse, gehen auch meine Ersparnisse langsam zur Neige. Müsste ich, statt in Ferien zu fahren, nicht endlich mal meine Wohnung in Ordnung bringen? Ja, das müsste ich, frage mich aber seit Monaten, wo ich anfangen soll.
Von meinen neuen Nachbarn kommen da auch keine hilfreichen Tipps. Sie hängen zwar in schöner Regelmäßigkeit kleine Zettel an meinen Kühlschrank im Treppenhaus, auf denen „Der muss mal hier weg!“ oder „Wie lange soll der noch hier stehen?“ steht, aber das war’s dann auch. Im Nachhinein war es aber eine gute Entscheidung, dass ich mir die Umzugskartons gekauft und nicht geliehen habe, so komme ich wenigstens nicht in unnötigen Zeitdruck. Das einzige, was ich bisher geschafft habe, aber darauf bin ich jetzt nicht stolz: Ich habe auf meinem Briefkasten den Namen meines Vormieters überklebt. Etwas schwieriger gestaltete sich, mein Namensschild in die Klingelanlage an der Haustüre einzusetzen, da sich das Plastikgehäuse nur schwer öffnen ließ.
Als ich deshalb Hammer, Schraubenzieher und rohe Gewalt einsetzte, fiel der Deckel zu Boden, allerdings auch die Namensschilder meiner Nachbarn. Da ich aber nicht genau wusste, ob Frau Martinez in der 3. Etage, Frau Schmidt neben mir oder in der 1. Etage wohnt, habe ich die Schilder wahllos wieder eingesetzt. Es kann jetzt passieren, dass der DHL-Bote bei Frau Schmidt klingeln will, es aber bei Frau Martinez schellt, aber das ist ja auch eigentlich egal. Bekommen die Herrschaften aber Besuch, dann fällt es vielleicht auf. Im Grunde bin froh, dass ich jetzt erstmal zwei Wochen nicht da bin. Bis dahin ist bestimmt auch Gras über die Sache gewachsen.