Die heilende Kunst des Lebens — in einer Wuppertaler Küche

Volker Mehl gibt in seinem Kochatelier Einblicke in die indische Ernährungslehre.

Barmen. Schwarze Nerd-Brille, verwaschenes T-Shirt, Tattoos bis auf die Unterarme. Volker Mehl könnte auch Gitarrist in einer Rockband oder Verkäufer im Skatershop sein. Gelernt hat er aber Versicherungskaufmann und arbeitet heute als einer der wenigen Ayurveda-Köche Deutschlands. „Ich habe mich schon immer für ganzheitliche Themen interessiert und bin so zum Ayurveda gekommen“, sagt der 35-Jährige, während er in einem Topf kochende Süßkartoffeln umrührt. Ayurveda — das „Wissen vom Leben“ — ist eine traditionelle indische Heilkunst. Zentrale Elemente sind Ernährungslehre, Massagen, Yoga und Pflanzenheilkunde. 2006 hat sich Mehl an einer Mannheimer Schule zum Ayurveda-Gesundheitsberater ausbilden lassen.

An der Friedrich-Engels-Allee hat sich der gebürtige Mannheimer einen Ort geschaffen, an dem er die Philosophie des Ayurvedas — vor allem das Element der Ernährungslehre — weitergibt. Donnerstags ist offener Atelier-Abend, jeder kann ohne Anmeldung vorbeikommen und die Gerichte probieren. Gebackene Banane, indische Spinatküchlein oder Wirsing-Kokos-Suppe stehen dann auf dem großen Holztisch. Schon Stunden vorher riecht es in dem hohen Raum nach geriebenem Ingwer, gekochten Möhren und exotischen Gewürzen. Während eine Suppe leise köchelt, verbreitet meditative Musik aus dem Hintergrund eine ruhige und angenehme Stimmung.

An der Kochtheke mit der kleinen Shiva-Statue erklärt Mehl die Grundprinzipien der Ayurveda-Küche: „Das ist kein neuer Trend, sondern 6000 Jahre alt und wird immer Thema bleiben.“ Es gehe darum, sich als Teil eines großen Ganzen zu sehen, und mit der Natur zu leben. Ernährung sei dabei elementar wichtig für Körper und Geist.

Die Ayurveda-Küche ist angepasst an Jahreszeiten und Lebensabschnitte. „Bei uns isst doch jeder, egal ob Alt oder Jung, sein ganzes Leben denselben Stiefel runter“, sagt Mehl. Ernährung müsse mehr sein, als die Aufnahme von Nährstoffen, da der Körper wie eine Festplatte funktioniere und alles speichere.

„Es gibt keine gesunden oder ungesunden Lebensmittel, sondern nur passende oder unpassende“, sagt Mehl. Unter Umständen seien auch Bratkartoffeln im Sinne der Ayurveda-Philosophie. Während Mehl erzählt, bereitet seine Freundin Möhren für vegane Muffins vor. Wegen ihr ist er 2011 nach Wuppertal gezogen und widersetzt sich bewusst der Strahlkraft großer Städte wie Berlin oder Hamburg. „Ich mag dieses Aufgeschraubte in Berlin nicht, sondern eher diese Jupp-und-Manni-Mentalität in Wuppertal.“

Zudem sei eine vergleichbare Immobilie in Köln oder Berlin unerschwinglich. „Man kann sich in Wuppertal austoben und die Menschen sind froh, wenn einer kommt und was neues macht“, sagt Mehl. Wuppertal erinnert in an das Berlin nach der Wende. „Hier ist viel Potenzial, aber es wird wenig daraus gemacht.“ Bei seinem ersten Atelier-Abend kamen spontan 50 Besucher in seine Räume. Wer es nicht in Mehls Kochatelier schafft, kann den Koch bei seinen deutschlandweiten Vorträgen und Seminare kennenlernen. Seine Rezepte hat er in einem Kochbuch zusammengefasst.