„Die Hofaue“: Wo einst das Herz des Handels schlug

Der ehemalige Stadtplaner Hinrich Heyken zeichnet die Geschichte der Straße in einem beeindrucken Buch nach.

Wuppertal. Es ist einmal mehr eins dieser Bücher, dass den Leser mitnimmt auf eine beeindruckende Reise in die Stadtgeschichte — und ihn am Ende mit einem Hauch von Wehmut zurücklässt.

In seinem neuen Werk „Die Hofaue — das Textil-Großhandelszentrum in Elberfeld“ beleuchtet Wuppertals ehemaliger Stadtplaner Hinrich Heyken Aufstieg, Niedergang und Wandel dieser Straße, die einst in ganz Europa ein Begriff war und heute vor allem städtebaulich eine offene Frage geblieben ist. Um es gleich zu Beginn zu betonen: „Die Hofaue“ ist ein sehr lesenswertes Buch, das vor allem in punkto Akribie Maßstäbe setzt.

Seinen größeren Teil nimmt eine chronologische Darstellung der Entwicklung der Hofaue seit dem 18. Jahrhundert ein — wie sich aus einem schlichten Weg zwischen der heutigen Innenstadt und dem Kluser Wupperbogen zunächst eine Wohnstraße für Kaufleute entwickelte, ehe sich Färber und Textilfabrikanten, später die großen Handelshäuser dort ansiedelten und die Hofaue zu einem wirtschaftlichen Schmelztiegel machten — einer Straße, die wie es eine Zeitzeugin um 1930 formulierte, „für den Textilhandel ein Begriff (war) wie die Bond Street in London“.

Hier ballten sich — das führt Heyken mit viel Bild- und Kartenmaterial hervorragend plastisch vor Augen — Fabrik-Komplexe wie von Baum KG oder Wilh. Sopp neben prächtigen Geschäftshäusern wie Uhlhorn & Klußmann oder Friedrich Seyd und Söhne — zwischen der Alten Freiheit und der Kluse war bis etwa 1930 das Leben geprägt von quirligem Geschäftsleben, massenhafter Arbeit und eindrucksvoller Architektur.

Doch es sollten letztlich — das macht Heykens Buch in dankenswerter Weise deutlich — drei große historische Wunden sein, die die einzigartige Hofaue am Ende zum Ausbluten brachten: erstens der Strukturwandel, schon einsetzend mit der Weltwirtschaftskrise ab 1930 und sich dann nach dem Zweiten Weltkrieg beschleunigt fortsetzend, der Textilgewerbe und -handel internationalisierte und in großen Konzernen konzentrierte; zweitens die Arisierung, die eine Vielzahl von jüdischen Traditionsfirmen vor dem Zweiten Weltkrieg vernichtete; drittens der Krieg selbst, der das gewachsene Gesicht der Straße im Bombenhagel zerstörte.

Und danach? Wurde die Hofaue nie mehr, was sie einst war — auch dank einer Stadtentwicklung, die mit den neuen Auto-Achsen Morianstraße und Bundesallee die Straße zerteilte und vom Elberfelder Zentrum abtrennte. Es ist ruhiger geworden in der einstigen Handelsstraße — doch das, so Heyken in einer schönen Schluss-Pointe seiner Chronologie, könnte ja auch eine Chance für die Zukunft der Hofaue darstellen. Eine Renaissance als city-nahe Wohnstraße, wie sie Heyken hier kurz skizziert? Es wäre ein „Alles auf Anfang!“ für Elberfelds historisch wohl spannendste Straße.

Neben dieser Gesamtdarstellung bietet das Buch in einem zweiten, lexikonartigen Teil noch abrissartige Überblicke über die Geschichte von 71 Betrieben entlang der Straße — eine Fundgrube voller Fakten, aber auch Anekdoten. Eine hervorragende Abrundung, die der Geschichte der Straße konkrete Gesichter gibt — wenn sich auch die eine oder andere Wiederholung mit dem ersten Teil des Buches nicht vermeiden lässt. Das ist aber nur ein kleines Manko eines ansonsten absolut gelungenen Buches.