Wuppertaler Auslese Die Magie der Stimme: Wuppertaler Schauspieler und Sprecher Olaf Reitz über Erzählkunst und KI

Wuppertal · Mit seiner ausdrucksstarken Stimme und Leidenschaft für außergewöhnliche Projekte bringt Schauspieler und Rezitator Olaf Reitz Geschichten wie „Der kleine Prinz“ auf die Bühne. Doch während er für authentische Erzählkunst steht, blickt er mit Sorge auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Audiobereich.

Das Repertoire von Olaf Reitz ist vielfältig: Er brachte den „Karneval der Tiere“ in den Wuppertaler Zoo, changiert in seiner „Heilkünstlerei“ zwischen Leben und Tod und synchronisiert Zeichentrickserien. Im WZ-Podcast „Wuppertaler Auslese“ erzählt er von seiner Arbeit.

Foto: Andreas Fischer

Die Menschen haben keine Zeit mehr, um etwas kennenzulernen. Sie kaufen die schon fertigen Dinge im Laden. Aber weil es keine Läden für Freunde gibt, haben die Menschen keine Freunde mehr.

(Antoine de Saint-Exupéry:
Der kleine Prinz)

Olaf Reitz vereint die Liebe zu den Menschen mit der Liebe zum Wort. Zu Worten, die bewegen. Die nachdenklich machen. Die inspirieren. Und die vielleicht sogar heilen können. Doch der 55-Jährige ist kein Arzt und kein Psychologe – sondern Schauspieler, Rezitator und Synchronsprecher. Geboren 1969 in Wuppertal, nunmehr in Velbert-Neviges zuhause, ist sein Arbeitsumfeld die Bühne. Und die muss nicht einmal aus zwei Vorhängen bestehen, die zur Seite schwingen.

Die Bretter, die die Welt bedeuten, wie Friedrich Schiller es auszusprechen vermochte, kann für ihn auch die Fußgängerzone sein. Ein Planetarium. Ein ehemaliger Blumenladen. Oder das Menschenaffenhaus des Wuppertaler Zoos, in dem er 2013 zusammen mit Wolfgang Kläsener an der Orgel den „Karneval der Tiere“ präsentierte. Und dort nicht nur von den menschlichen Zuschauern Gehör fand, sondern offensichtlich auch von den Affen: „Das war total irre, weil wir vorher geprobt haben und die Menschenaffen da schon durchgedreht sind“, erinnert er sich voller Euphorie. „Die wollten mitmachen, das war Wahnsinn. Wenn die gegen eine Scheibe donnern, dann ist das richtig laut.“

Es ist das Ungewöhnliche, nicht der Standard, der ihn antreibt. Er lässt Kirchtürme sprechen, „die haben Lamellen vor den Glocken hängen, die den Schall nach unten richten, davor haben wir eine Lautsprecherbox gestellt“. Zehn Jahre reiste er damit durchs Bergische Land. Kunst im öffentlichen Raum. Olaf Reitz mag die Dynamik, die daraus entsteht.

Was auch für den Wechsel seiner beruflichen Verpflichtungen gilt: Bei einer Gedenkveranstaltung für Opfer des antisemitischen Massakers in Israel las er kürzlich aus Jakob Friedmans Autobiografie „Das Unfassbare“, im Tonstudio synchronisiert er japanische Zeichentrickserien, sogenannte Animés. Christian Morgenstern brachte er auf CD heraus. Mark Twain ebenfalls.

Am kommenden Sonntag, 24. November, ist er um 16 Uhr mit seinem Programm zu „Der kleine Prinz“ im Katholischen Stadthaus in Elberfeld zu Gast. Zusammen mit Musiker Martin Zobel. Den Abend hat er schon länger im Repertoire – und doch fasziniert ihn der Klassiker immer wieder. Die Rose. Der Fuchs. Die Schlange. Wobei er betont: „Ich bin kein Missionar und keine Volkshochschule. Ich kann nur das Angebot machen, Themen so zu verpacken, dass sie genossen werden können. Im Moment der Lesung steht kein Dogmatismus im Vordergrund, sondern eine Geschichte zu erzählen.“

„In fünf Jahren ersetzt
mich die Künstliche Intelligenz“

Dass er dennoch vor drei Jahren in Barmen die „Heilkünstlerei“ gründete, hängt mit dem Anspruch zusammen, einen Kunstort als Raum der Begegnung zu schaffen – in einem ehemaligen Blumenladen am Friedhof Hugostraße. „Das ist ein wunderschöner, verglaster Pavillon. Und er liegt auf der Grenze zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, weil er auf der einen Seite zur Straße ist und auf der anderen Seite zum Friedhof.“ Zuletzt realisierte er dort das Projekt „Kaiserschmarrn“, das sich an Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ orientierte.

Worte werden zu Bildern, wenn Olaf Reitz sie mit seiner sonoren Stimme ausspricht. „Sie müssen es auch werden“, sagt er, „denn erst, wenn ich ein Bild von den Figuren habe, die in einer Geschichte auftauchen, kann ich ihnen auch Charakter geben. In der Vorbereitung schließe ich mich in meinem Arbeitszimmer ein und probiere das aus. Die Figuren müssen eine Seele besitzen. Und erst, wenn ich mir meine Interpretation selbst glaube, ist sie bühnenreif.“ Dabei sei seine Arbeit „90 Prozent Handwerk und zehn Prozent Magie“.

Allerdings – und das macht der ganzen Branche zu schaffen: „In fünf Jahren werde ich meine Tätigkeit als Sprecher im Tonstudio an die Künstliche Intelligenz verlieren“, offenbart er. KI werde gerade „in einer atemberaubenden Geschwindigkeit“ bei der Erzeugung von Stimmen eingesetzt. „Die Studios haben mittlerweile so viel Material von uns, dass sie drei verschiedene Stimmen zu einer neuen Stimme zusammensetzen können – und fertig.“ Dies sei eine fatale Entwicklung, „weil besonders viele Studios, die im Kinder- und Jugendbereich tätig sind, nun fast ausschließlich mit KI arbeiten und dadurch die kommenden Generationen von vornherein an diesen Klang gewöhnen“. Kostet weniger Geld. „So funktioniert Kapitalismus.“ Ihm mache dieser Trend keine Angst, beruhigt Olaf Reitz, „aber ich finde es als gesellschaftliche Tendenz extrem bedenklich, weil es keinen Menschen und damit keine Echtheit mehr hinter einer Aufnahme gibt.“

Am 24. November wird er als echter Mensch im Katholischen Stadthaus zugegen sein. Mit eigener Stimme, eigener Präsenz und einer Geschichte, in der ein kleiner Prinz ganz sanft offenbart, was dem Leben Sinn verleiht.