Diskussion Seilbahn: „Millionen-Grab“ oder „supertolles Projekt“?
Elberfeld/Südhöhen · Der WDR lud zum „Stadtgespräch“ über möglichen Nutzen und Schaden des Verkehrssystems ein.
Bevor die WDR-Moderatoren Judith Schulte-Loh und Frank Krieger den Abend offiziell eröffnen und auf Sendung gehen, geben sie den Besuchern des „Stadtgesprächs“ erst einmal ein paar Regieanweisungen. Das Publikum in der evangelischen City-Kirche möge bitte kräftig und laut klatschen, damit die Zuhörer der WDR-5-Sendung auch hören könnten, dass hier in Wuppertal viele Menschen zu einer Diskussion gekommen seien, erklärt Schulte-Loh. Man ist ja schließlich im Radio, da ist der akustische Eindruck schon wichtig.
Kräftig geklatscht wird an diesem Donnerstagabend bei der Live-Diskussion in der fast vollbesetzten Citykirche in der Tat eifrig. Das dürfte wohl der Tatsache geschuldet sein, dass über ein Thema gesprochen wird, das in der Bevölkerung umstritten ist: der Bau der Seilbahn vom Hauptbahnhof auf die Südhöhen.
Knapp drei Wochen vor der Auszählung der Bürgerbefragung lässt der Westdeutsche Rundfunk Befürworter und Kritiker, Experten und politisch Verantwortliche zu Wort kommen. Und vor allem die Seilbahn ablehnende Fraktion im Publikum unterstützt jede kritische Aussage mit Applaus, der wohl deutlich machen soll: „Erspart uns bloß dieses Millionen-Grab.“
In der Expertenrunde auf dem Podium spricht Judith Schulte-Loh mit dem Verkehrsexperten Oscar Reutter vom Wuppertal Institut, Marc Gennat von der Bürgerinitiative Seilbahnfreies Wuppertal, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Wuppertaler Stadtwerke (WSW), Dietmar Bell, sowie mit Andreas Wille vom NRW-Verkehrsministerium, der über die im Raum stehenden Fördermittel entscheiden könnte.
Stimmen aus dem Publikum fängt derweil WDR-Kollege Krieger ein: Dabei überwiegen allerdings deutlich kritische Einschätzungen. Moniert wird unter anderem, dass bestehende Buslinien auf die Südhöhen wegfallen oder eingeschränkt werden oder dass ältere Menschen Probleme beim Umsteigen in die Seilbahn haben könnten. Die Kritik von unmittelbaren Anwohnern, die sich durch Gondeln über ihren Häusern belästigt fühlen, wird dagegen nur am Rande angeschnitten.
Professor Reutter beschäftigt sich seit langem mit den Verkehrsbedingungen in Wuppertal. Seine Unterstützung für das Projekt will er grundsätzlich nicht verhehlen, gleichwohl fällt sie etwas wissenschaftlich verklausuliert aus. Das 90 Millionen Euro teure Vorhaben könne eine „gute Alternative“ sein, wenn sie den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) „als Gesamtsystem stärke“. Dazu sei aber vor allem die Anbindung der ÖPNV-Nutzer an das Busnetz am Schulzentrum Süd auf Küllenhahn wichtig sowie die Antwort auf die Frage, wie die Seilbahnstation an der Uni an den dortigen Campus angeschlossen wird.
Deutlich euphorischer fällt die Bewertung durch WSW-Oberaufseher Bell aus. Die Seilbahn sei ein „supertolles Projekt“, ein „extrem effizientes Verkehrssystem“. Sollte diese Verbindung gebaut werden, sei sie die „erste urbane Seilbahn“ in einer deutschen Stadt – eben keine reine touristische Attraktion, sondern ein Verkehrssystem, das vornehmlich und regelmäßig von den Einwohnern genutzt werde. Mit Blick auf die geplanten Einschnitte im Busfahrplan verweist Bell darauf, dass dies auch wegen der Erteilung von Fördergeldern nötig sei, um mögliche Doppelangebote im ÖPNV-Angebot zu verhindern.
Von allen Seilbahnvorhaben in NRW ist das Wuppertaler am weitesten
Bei Projektkritiker Gennat stoßen diese Argumente freilich nicht auf Gehör. Er kritisiert unter anderem die geplanten Buskürzungen, unter denen nach seinen Angaben „40 000 Wuppertaler“ leiden werden. Zudem sei weiterhin völlig unklar, wie die Kosten für den Betrieb der Seilbahn gestemmt werden sollten. Dem WSW drohe ein „finanzielles Desaster“, sollte er sich auf das Projekt einlassen.
Dem widerspricht WSW-Aufsichtsratschef Bell mit Nachdruck: Man habe jeden kritischen Punkt der Seilbahngegner „individuell geprüft“. Zudem wirft er Gennat vor, in der Debatte um die Seilbahn mit falschen Zahlen zu operieren.
Vergleichsweise entspannt kann dagegen Andreas Wille vom Landesverkehrsministerium die Diskussion verfolgen – er kommt ja aus Düsseldorf. Wille räumt auf Nachfrage ein, dass es derzeit einen regelrechten „Seilbahn-Hype“ in vielen Städten gebe. In Nordrhein-Westfalen sei Wuppertal mit seinen Planungen für die Einführung eines solchen Verkehrssystems derzeit am weitesten.
Zudem verweist er darauf, dass die Fördermittel entweder vom Land oder auch vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) gewährt werden könnten. Grundsätzlich habe der Landtag bereits 2012 entschieden, dass der Bau von Seilbahnen gefördert werden könne, wenn er der Verbesserung des ÖPNV in einer Kommune dienlich sei.