Kultur Die Oper in die Stadt Wuppertal gebracht: Abschied von Opernintendant Berthold Schneider
Wuppertal · Eine Aufführung und viele Dankesreden zum Abschied von Opernintendant Berthold Schneider.
Zum Schluss, nach aufwühlenden wie schweißtreibenden dreieinhalb Stunden kommt es, das himmlische Schlussduett „Pur ti miro, pur ti godo“. Versöhnen Poppea und Nerone mit ihrem Gänsehaut erzeugenden Liebesbekenntnis. Berthold Schneider hat eine persönliche Beziehung zu dem Duett – Catriona Morrison und Ralitsa Ralinova sangen es bei seiner Hochzeit 2017. Die beiden stehen auch an diesem Sonntag auf der Bühne. Ein zum Dahinschmelzen schöner Abschluss einer überzeugenden Inszenierung der Oper „Die Krönung der Poppea“ von Monteverdi und krönender Schlusspunkt für Schneiders siebenjährige Opernintendanz. Die keine Laudatio zum Abschied toppen kann.
Dank und Würdigung umrahmten die Opernaufführung, die auch die letzte der Spielzeit 2022/23 war. Alles, was Rang und Namen in der Wuppertaler Kulturszene hat, war in das aufgeheizte Opernhaus in Barmen gekommen. Den Anfang machten Oberbürgermeister Uwe Schneidewind und Kulturdezernent Matthias Nocke, die vor der Aufführung auf der Bühne an die Verdienste Schneiders erinnerten. Er habe ein auf hohem Niveau singendes Ensemble aufgebaut, 40 interessante Produktionen bewerkstelligt, spannende Kooperationen gepflegt, das Opernstudio NRW zur Förderung der Nachwuchsarbeit aufgebaut und die Zusammenarbeit mit Schauspiel und Sinfonieorchester intensiviert. Vor allem habe er die Oper wieder in die Stadt und ihre Gesellschaft zurückgebracht. Durch Produktionen wie die Mitmachoper „Das Labyrinth“, das Festival-Format „Sound of the City“, das wie „Songs & Arien“ Oper und freie Szene verknüpfte und bei seiner ersten Auflage das Schauspielhaus und in seiner jüngsten (und letzten) die Zoosäle wieder belebte, durch die Formate „Seitenwechsel“ und die verschiedenen Schul- und Bildungsformate. All das unter schwierigen Bedingungen: eine Pandemie, ein extrem enges Budget und die Flutschäden des Sommers 2021. Seine Arbeit werde weit über seine Zeit hinauswirken, so Schneidewind, der in seiner Zeit als Chef des Wuppertal Instituts mit Schneider einen persönlichen Seitenwechsel vollzog: Für drei Wochen tauschten sie 2019 ihre Büros und schnupperten in die Arbeitswelt des anderen hinein. Der Theaterpreis des Bundes an die Wuppertaler Bühnen 2021, erinnerte Nocke, sei auch Schneiders Verdienst: „Sie haben die Oper in unsere Stadt gebracht und ein Stück Operngeschichte geschrieben.“
„Eine unglaubliche
Liebe zum Theater“
Anerkennung und lobende Worte gab es auch von Daniel Siekhaus, scheidender Geschäftsführer der Bühnen, Schauspielintendant Thomas Braus und Orchesterdirektor Raimund Kunze, die für Bühnen und Sinfonieorchester sprachen. Sie erinnerten sich an die angenehme Zusammenarbeit und interessante Produktionen, die Mut, Kreativität, „vor allem aber eine unglaubliche Liebe zum Theater“ (so Braus) zum Ausdruck brachten.
Der so Gelobte bedankte sich ebenfalls – mit fünf Blumensträußen, die er am Ende der Aufführung überreichte. An fünf Weggefährtinnen und -gefährten, die ebenfalls das Haus verlassen oder bereits verlassen haben: Yisae Choi vom Opernstudio NRW, Robin Phillips, der das Opernstudio mitaufgebaut und geleitet hat, die Regisseurin Inga Levant, die an mehreren Operninszenierungen mitgewirkt hatte. Sowie an vier Sängerinnen und Sänger, die Schneider ins Ensemble geholt und die er gefördert hatte. Sie hätten sich mit ihren wunderbaren Stimmen ein breites Rollenrepertoire erarbeitet: Simon Stricker (Bariton), Sebastian Campione (Bass), Catriona Morison (Mezzosopran) und Ralitsa Ralinova (Sopran).
Alle vier hatten zuvor ein letztes Mal in Wuppertal ihre Qualitäten unter Beweis gestellt. Allen voran die beiden Solistinnen und Campione (als Seneca), während Stricker als Mercurio weniger zum Einsatz kam. Monteverdis Oper, die 1642/43 uraufgeführt wurde, wird wegweisende Bedeutung für das Musiktheater heutiger Natur zugeschrieben. Ihre Geschichte um die historische Person Kaiser Neros thematisiert die Kraft der Liebe. Sie tritt den Beweis an, über allem anderen (Schicksal und Tugend) den Lauf der Dinge zu bestimmen. Was ihr auch gelingt, freilich nicht im positiven Sinne, denn die Beziehungen, die Giovanni Francesco Busenello im Libretto vorführt, sind alles andere als nachahmenswert. Vielmehr wird gelogen, geheuchelt, geschwächelt, gehadert. Die Inszenierung von Immo Karaman und Fabian Posca überträgt dies auf köstliche Art und Weise in die Seifenoper-Welt des „Denver Clans“ der 1980-er Jahre, sodass Alexis (Joan Collins) und Krystle (Linda Evans) wiederauferstehen. Erotik, Intrigen und Trümmerlandschaft inklusive. Dazu die barock-modern instrumentierte Musik Monteverdis.
Die Produktion feierte Ende April Premiere und wurde am Sonntag ein letztes Mal bejubelt. Ein würdiger wie liebevoller Abschluss für Berthold Schneider.