Die Spuren des Ersten Weltkriegs sind im Tal gut sichtbar

Immer noch erinnern viele Denkmäler und Bauten an die Schlachten vor 100 Jahren.

Foto: Uwe Schinkel

Wuppertal. Die Tannenbergstraße ist gerade in aller Munde — aber wegen der Sperrung der B7 und nicht wegen ihres Namens-Jubiläums: Vor 100 Jahren, Ende August 1914, siegten deutsche Soldaten in der Nähe des ostpreußischen Tannenberg über die russischen Truppen.

Präsent ist diese Erinnerung nicht mehr. Doch auch nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg und dem radikalem Wiederaufbau finden sich noch erstaunlich viele Spuren der Kriegszeit im Stadtbild — wir nennen einige Beispiele.

Einige Straßennamen sind geblieben — so das Generalsviertel in Vohwinkel mit Falkenhayn- und Lettow-Vorbeck-Straße und die Hindenburgstraße, die von Kriegsgefangenen angelegt und nach dem damaligen Generalfeldmarschall benannt wurde.

Insgesamt sei zwischen 1914 und 1918 aber nicht viel gebaut worden, sagt Michael Okroy, historisch versierter Literaturwissenschaftler. Er nennt als Beispiele die Helenenkrippe in der Flensburger Straße (erbaut 1915), das einstige Geschäftshaus des Allgemeinen Versicherungsvereins an der Neumarkt-/Ecke Erholungsstraße (1914) und die Großbäckerei der ehemaligen Konsumgenossenschaft „Vorwärts“ Barmen (1914-1916).

Statt ziviler Bauten entstanden kurz nach Kriegsbeginn zwei Ehrenfriedhöfe, in Barmen an der Lönsstraße und in Elberfeld auf der Königshöhe. „Ursprünglich waren sie für die Toten aus den großen Lazaretten gedacht“, sagt Okroy. Doch schon bald nach der Einweihung habe man sie für eigene Gefallene nutzen, 1916 sogar erweitern müssen: In Barmen liegen knapp 600 Tote aus dem Ersten Weltkrieg.

„Ein politisch hochgradig kontaminiertes Gelände“, nennt Okroy den Ehrenfriedhof an der Lönsstraße. Er sei in der Weimarer Republik und in der NS-Diktatur ein Ort nicht nur der Trauer gewesen, sondern für eine völkisch-nationale Gedenkkultur instrumentalisiert worden. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle Deutschlands im Krieg habe nicht stattgefunden, man pflegte stattdessen den Opfer- und Heldenkult.

Dazu passte auch die Inschrift, die von dem Barmer Schriftsteller und späteren NS-Literaturfunktionär Will Vesper stammte: „Eines steht groß in den Himmel gebrannt: Alles darf untergehen, Deutschland, unser Kinder- und Vaterland, Deutschland muss bestehen.“ Entfernt wurde die Inschrift bis heute nicht.

Auch Opfer des Kapp-Putsches 1920 wurden an der Lönsstraße beerdigt, deshalb frequentierten auch Anhänger der Linken und der Republik die Anlage. Weil im Zweiten Weltkrieg auch Mitglieder der Waffen-SS dort begraben wurden, war er in den 90er Jahren auch Treffpunkt der rechten Szene. Bis heute findet dort eine der städtischen Veranstaltungen zum Volkstrauertag statt.

Skurril wirkt aus heutiger Sicht die wechselvolle Deutung der „Bellonagruppe“, die in einem Park an der Kolpingstraße steht. 1915 vergab die Stadt den Auftrag, aufgestellt wurde das Werk des Bildhauers Georg Kolbe erst 1922 auf dem Bahnhofsvorplatz. Es sollte die Kriegsgöttin Bellona zeigen, „die einem erwachenden Krieger das Schwert reicht“, so der damalige Elberfelder Oberbürgermeister Funck.

Im „Täglichen Anzeiger für Berg und Mark“ konnte man zur Einweihung lesen, der Brunnen trage den Titel „Das Erwachen“ und zeige „einen Krieger, der sich auf eine schlanke Frau stützt“. Der WDR erfand 1949 den Titel „Sterbender Krieger“. Im selben Jahr wurde die Gruppe vom Bahnhofsvorplatz entfernt, man wollte ein klassisches Werk der Kriegskunst wohl nicht an so einem prominenten Platz präsentieren.

Die 1917 errichtete Hindenburg-Säule an der heutigen Stresemannstraße spiegelte perfekt den Zeitgeist. Auf der Spitze stand ein vergoldeter Herkules mit Schwert und Adler, in die Rückwand waren „männliche Kraftgestalten“ gemeißelt. Die Inschrift, wieder von Will Vesper, beschwor „Gedenkt daran, was Mannesmut kann, was ein Schwert in deutschen Händen wert“. In den 30er Jahren wurde die Straße in Langemarckstraße umbenannt — und mit ihr die Säule: zur Erinnerung an die Schlacht 1914 in Belgien, bei der deutsche Freiwilligenregimenter mit der Nationalhymne auf den Lippen gegen feindliche Stellungen und in den Tod gestürmt sein sollen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss die Stadt im Zuge der Entmilitarisierung Text und Statue zu entfernen. Die heutige Inschrift „Langemarck 1914“ ließ indes erst 1976 das Garten- und Forstamt im Verein mit dem Kulturamt anbringen. Dass in der aktuellen Diskussion um die vernachlässigte Säule auch von Abriss die Rede ist, kann Michael Okroy nicht nachvollziehen:. An der Säule „lässt sich doch anschaulich die Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts vor Augen führen“.