Die Welle: Ein Spiel, das keines mehr ist

Kinder- und Jugendtheater zeigt das Stück in einer Inszenierung von Lars Emrich.

Foto: Andreas Fischer

Kann Faschismus auch heute passieren? Diese Frage verbindet sich mit Morton Rhues erfolgreichem Roman „Die Welle“, Schullektüre und jetzt gespielt vom Kinder- und Jugendtheater. Sollte ihn jemand noch nicht gelesen haben, gibt auch die Inszenierung von Lars Emrich die so klare wie düstere Antwort: Ja. Dies bei aller Bekanntheit als Stück zu erleben, ist von eigenem Wert.

Die Story: Im Unterricht zum Dritten Reich will der Lehrer Ben Ross (Dan Lehnert, die Besetzungen wechseln) seinen Schülern auf besondere Art zeigen, wie eine Diktatur funktioniert: Zur Probe installiert er in der Klasse ein autoritäres System. Erst nur zackige Anreden, dann ein Gruß (die „Welle“), ein Mitgliedsausweis - schließlich Schüler als Bespitzler ihrer Freunde. Alle machen mit, nur Laurie (Jule Selter) und David (Louis Droß) rebellieren und werden zum Feindbild. Allzu spät beendet Ross ein Spiel, das keines mehr ist.

Es beeindruckt und beunruhigt, auf der Bühne die Schüler und ihre Gruppendynamik zu verfolgen. Erst normal überdreht nach Teenie-Art, mischen sich bald Verbissenheit und Misstrauen in den Umgang miteinander. Einmal jubeln sie einem von ihnen, Robert (David Smith), wie einem Popstar zu, doch dessen Rolle ist alles andere als harmlos: Der früher unbeliebte Junge zeigt nun Macherqualitäten und wird geachtete Instanz - fatal, wie sich zeigen wird.

Eine wichtige Szene: Laurie, die Redakteurin der Schülerzeitung ist, veröffentlicht alarmiert einen Artikel. Titel: „Die Welle - ein Versuch, der zu weit geht“. Wütend veranlassen die anderen ihren Freund David, sie zur Vernunft zu bringen. Das endet mit einem Hieb gegen die Freundin und einer erschütterten Versöhnung, bei der auch er merkt: Etwas stimmt hier nicht.

Der Roman ist durch und durch pädagogisch, und das kann auch das Stück nicht verleugnen: Keine Szene ohne strategische Funktion, hin zum Lernerfolg mit Leinwand: „Ihr wäret ihm gefolgt: Adolf Hitler!“ Doch feiert es noch lange nicht die Sicht des Lehrers: Es scheint, den eifrigen Ross betont die Regie als zweiten Strang, der seine Geschichte neben den Gruppenaspekt stellt. Immer wieder zeigt die Nebenbühne Ross daheim, wo seine Frau (Anna-Luca Meding) Skepsis äußert und erst den Anstoß gibt, die Welle zu stoppen. Selbst hat er an seiner Macht nämlich längst Gefallen gefunden: „Die Schüler lassen mir einfach keine Wahl. Sie wollen es einfach!“ Und weiter, und da wird es wenigstens ehrlich: „Es macht mir selbst Spaß. Es ist ansteckend.“