Dietmar Bell über Piraten, Ikea und die Nordbahntrasse
Dietmar Bell (SPD) über Piraten, Bilanzen, Diäten und das Tauziehen um die Nordbahntrasse.
Kamen die Neuwahlen auch für Sie überraschend?
Dietmar Bell: Absolut. Ich wollte mit meinem Mitarbeiter vor der zweiten Haushaltslesung zunächst noch wetten. Wer sollte eigentlich ein Interesse an einer Neuwahl haben? Und am Abend war ich dann kein Abgeordneter mehr. So ändern sich die Zeiten.
Reicht es denn am 13. Mai für Rot-Grün?
Dietmar Bell: Ich glaube nicht, dass es eng wird. Aber entscheidend wird die Wahlbeteiligung sein. Wir haben zwei Jahre Minderheitsregierung hinter uns — und das wird als durchaus gelungenes Experiment wahrgenommen. Wir kämpfen jetzt aber für stabile Verhältnisse. Die braucht das Land.
Wie schätzen Sie die Piraten ein?
Bell: Ich glaube, dass sie viele Menschen mit ihrer Internet-Affinität ansprechen, aber wenn man sich mit den Inhalten befasst, entzaubern sie sich in Teilen auch selber. Ich habe mit Interesse das Interview ihres Kandidaten Olaf Wegner in der WZ gelesen — und war von der Inhaltsleere der Antworten überrascht. Die Menschen müssen entscheiden, wie verantwortungsvoll sie mit ihrer Stimme umgehen.
Wie sieht Ihre Bilanz denn aus? Was haben Sie für Wuppertal bewegen können?
Bell: Ich glaube, wir haben für Wuppertal in den vergangenen beiden Jahren eine hervorragende Bilanz hingelegt und denke, dass das von den Menschen honoriert wird. Ich erinnere nur an die Bewegung „Wuppertal wehrt sich“: Wuppertal bekommt jetzt jährlich 100 Millionen Euro mehr aus Düsseldorf im Bereich der Gemeindefinanzierung. Wir sind der Gewinner des Stärkungspaktes Stadtfinanzen. Das waren harte Verteilungsauseinandersetzungen, bei denen wir uns als Wuppertaler Abgeordnete haben behaupten müssen. Wir haben den „Stadtumbau West“ ermöglicht. Da war die Frage: Kann Wuppertal wieder an Förderprogrammen teilnehmen? Und wir haben wichtige Infrastrukturprogramme angepackt — wie die L 419, die Regiobahn, das Polizeipräsidium. Wir sind nicht selbstgefällig aber selbstbewusst, weil wir zu dritt als Team eine gute Arbeit gemacht haben. Bialas, Neumann, Bell: Wenn man uns in Düsseldorf sieht, dann heißt es jetzt: Da kommen die Wuppertaler.
Was nutzt das, wenn die Städte bei der bergischen Zusammenarbeit ihr eigenes Süppchen kochen?
Bell: Natürlich tut es nicht gut, wenn sich die Städte in der Öffentlichkeit streiten. Auch der Streit um die Nordbahntrasse wird in Düsseldorf wahrgenommen. Da fragen sich viele: Arbeiten wir hier mit den richtigen Partnern zusammen? Da wünsche ich mir von den Akteuren mehr Verantwortungsbewusstsein: Wir sind immer in Konkurrenz mit anderen Regionen. Bei der Trasse wirken wir als Abgeordnete bei strittigen Fragen im Hintergrund und sehen davon ab, zwischen die Mühlsteine zu geraten.
Sie glauben auch angesichts der Auseinandersetzung um die 7,1 Millionen Euro für die Außenbereiche an die Nordbahntrasse?
Bell: Wundervolles Projekt. Ich bin selbst begeisterter Radfahrer und freue mich, wenn’s fertig ist.
Kommt Ikea?
Bell: Ich glaube, dass Ikea kommt, weil wir Ikea brauchen. Eine deutliche Mehrheit der Wuppertaler will Ikea, und ich bin weiterhin optimistisch.
Und was wird aus dem Lückenschluss zur A 1?
Bell: Wenn wir eine Mehrheit haben, werden wir den Lückenschluss umsetzen. Und wir werden, wenn wir die Wahl gewinnen, die Baupläne rasch präsentieren und mit der Bevölkerung diskutieren. 2020 hoffen wir, damit durch zu sein.
Und der Kiesbergtunnel?
Bell: Wir haben das Land gebeten, die Finger von der Sanierung des Kiesbergtunnels zu lassen, solange am Döppersberg und an der L 419 gearbeitet wird. Klare Ansage: Der Kiesbergtunnel ist unverzichtbar — und deswegen wird er bleiben. Die Alternative zum Lückenschluss und zum Tunnel ist der Dauerstau auf der A 46.
Mit dem Umbau der Schwebebahn für insgesamt 600 Millionen Euro ist doch ohnehin schon viel Landesgeld nach Wuppertal geflossen.
Bell: Wuppertal kann sich sicherlich nicht beklagen, was die Infrastrukturförderung in den vergangenen zwei Jahrzehnten betrifft. Trotzdem gibt es Nachholbedarf. Das gilt auch für den Lückenschluss bei der Regiobahn. Unser Ziel ist es, die Kommunen wieder handlungsfähig zu machen — bei der Infrastruktur oder auch bei der Bildung. Und wir haben das Ziel, generell mehr Bundesmittel nach NRW zu holen.
Auch bei den Verdi-Demonstrationen kam die umstrittene Diätenerhöhung zur Sprache. Das falsche Signal zur falschen Zeit?
Bell: Ich empfehle dringend, die Kirche im Dorf zu lassen. Die NRW-Diäten sind die geringsten der Landesparlamente. Da sind die Debatten aus meiner Sicht völlig überspitzt geführt worden.
Sind Sie da von Verdi-Kollegen angegangen worden?
Bell: Nein.
Was muss die SPD denn tun, um die von der Politik Enttäuschten zu erreichen?
Bell: Wir haben das gehalten, was wir versprochen haben. Kommunale Finanzen, Bildung, wo wir massiv investiert haben. Wir haben das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt, wovon allein in Wuppertal 2200 Familien profitieren. Es gab schwere Zeiten für die SPD und viele Menschen, die sich von uns abgewandt haben. Aber nach der Wahl zu seinen Versprechen zu stehen, ist das Beste, was man tun kann, um Politikverdrossenheit abzubauen. Und wir sagen: Sprecht mit uns. Die Bilder von Politikern sind häufig falsch. Da geht es um Fahrer und Dienstwagen. Wenn ich erzähle, dass ich den Zug nehme, um in den Landtag zu kommen, sehen mich die Leute überrascht an.
Wo sind Sie denn jetzt häufiger? Düsseldorf oder Wuppertal?
Bell: Fifty-fifty.
Wo steht Wuppertal in fünf Jahren?
Bell: Ich sehe Wuppertal deutlich innovativer mit einer besseren Verzahnung von Wirtschaftsentwicklung und Universität. Die Stadt wird attraktiver, weil wir es schaffen werden, die Stadt über ein Gesamtlabel auch für junge Leute interessant zu machen. Und ich sehe Wuppertal vielleicht weniger selbstkritisch und stärker überzeugt von sich.