Digitale Gruppen ersetzen Vereine

In Wuppertal gibt es heute rund hundert Vereine weniger als vor drei Jahren. Aber Facebookgruppen haben Zulauf.

Foto: dpa/Stefan Fries/Screenshot

„Ich wünsche der Gruppe einen guten Morgen und einen super Einstieg in die neue Woche.“ Seit Jahren begrüßt Bodo Flunkert jeden Tag die inzwischen mehr als 10 000 Mitglieder seiner Facebook-Gruppe mit einer kleinen persönlichen Ansprache. Angefangen hat die Gruppe „Historische Bilder aus Wuppertal“ vor sechs Jahren als kleine Plattform zum Hochladen von Bildern. Heute ist sie viel mehr. In der Gruppe wird nebenbei über Wuppertal diskutiert und auch private Bunde sind schon geknüpft worden. „Mit einigen Mitgliedern gehen wir schon mal gemeinsam etwas essen“, sagt Flunkert.

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„Historische Bilder...“ ist, ähnlich wie andere Wuppertal-Gruppen wie etwa „Nett-Werk Wuppertal“ auch, eine „Community“ geworden, eine eigene Gruppe, in der sich die Gruppenmitglieder täglich austauschen. „Ich bin eigentlich kein Vereinsmeier“, sagt Bodo Flunkert, der mittlerweile wöchentlich mehr als 80 neue Mitgliedsanfragen beantwortet. Doch die Facebook-Gruppe gefalle dem 71-Jährigen, weil es so eine unverbindliche Interessensgemeinschaft ist.

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Flunkert ist da nicht allein. Der klassische Verein ist auf dem absteigenden Ast, während sich digitale Treffpunkte mit Stadtbezug immer weiter etablieren. Zum 1. Februar 2018 waren beim Amtsgericht Wuppertal (zuständig auch für Solingen, Remscheid, Velbert und Mettmann) noch 5076 Vereine eingetragen. Vor drei Jahren waren es noch 5220. Amtsgerichtssprecherin Carmen Schlosser erklärt: „Ungefähr die Hälfte der Vereine kommen aus Wuppertal.“ So ist davon auszugehen, dass die Stadt in drei Jahren rund 100 Vereine verloren hat.

Marga Rühl hat vor ein paar Tagen die ersehnten Unterlagen vom Amtsgericht bekommen. „Ich mache drei Kreuzzeichen“, sagt die 88-Jährige. Ihr Verein, der Frauenchor Ronsdorf, ist aufgelöst und liquidiert. Die Sängerinnen hatten nicht mehr genug Mitglieder, um durch die Beiträge Raum und Chorleiter zu bezahlen. Rühl sagt: „Wir konnten auch nicht mehr vierstimmig singen, nur noch dreistimmig.“ Der Mitgliedermangel zwang in den vergangenen Jahren einige Chöre in die Knie: Nach 132 Jahren gab 2015 der Evangelische Männerchor Wuppertal-Ronsdorf auf, genauso wie 2014 der Männergesangsverein „Flügelrad“ nach 106 Jahren. Ebenso lösten sich die „Cäcilia“ und der MGV Liederfreund in Cronenberg nach 105 Jahren auf. Rühl ist aufgefallen: „Die jungen Leute wollen keine Verantwortung übernehmen und sich nicht mehr festlegen.“

Christel Auer, Vorsitzende des Ronsdorfer Heimat- und Bürgervereins, kann sich über Mitgliedermangel nicht beschweren. In den vergangenen acht Jahren sind die Ronsdorfer von 280 auf 550 Mitglieder gewachsen. Aber: Auch Auers Verein ist überaltert. Sie sagt: „Ich bin mit meinen Anfang 60 eine der Jüngsten.“

Die Jüngeren würden ihrer Erfahrung nach wegen ihrer Berufstätigkeit vor einer ehrenamtlichen Vereinstätigkeit zurückschrecken. „Die Prioritäten haben sich verändert“, sagt Auer. „Früher wurde es akzeptiert, dass der Vater nach der Arbeit direkt in den Verein verschwunden ist.“ Heute legten junge Familien jedoch mehr Zeit auf ein gemeinsames Familienleben. „Und das ist gut so“, sagt Auer.

Schwer haben es auch Vereine, die Interessensgruppen bedienen, die sich heute im Internet bestens austauschen können. Etwa die Philatelisten. Allein bei Facebook gibt es eine Hand voll Briefmarken-Gruppen mit Mitgliederzahlen im vier- und fünfstelligen Bereich. Der Briefmarken-Sammler-Verein Cronenberg besteht nur noch aus Menschen, die sich ausdrücklich lieber persönlich treffen. Sammler Karl Heinz Monse sagt: „Mit dem Internet haben wir nix am Hut.“ Aktuell hat der Verein noch sieben Mitglieder.