Digitale Stadt: Wuppertal geht einen mühseligen Weg voraus

Analyse: Wuppertals digitaler Fortschritt wird mit Millionen gefördert. Daraus ergibt sich eine einmalige Chance mit vielen Fallstricken.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Das Bergische Land wird eine von insgesamt fünf digitalen Modellregionen. Wuppertal kann damit mit Fördergeldern in Millionenhöhe für Digitalisierungsprojekte rechnen. Das ist ebenso Chance, wie es Herausforderung ist. Denn Digitalisierung ist ein extrem breites Feld. Sie kann Bürgerservice, interne Verwaltungsprozesse, Bildungsangebote, Mobilität und vieles mehr umkrempeln. Da besteht die Gefahr, sich in den verschiedenen ganz unterschiedlichen Projekten zu verzetteln. Die Stadt muss jetzt eine digitale Strategie entwickeln. Was ist das Ziel? Wie lassen sich die Einzelmaßnahmen zu einem sinnvollen Ganzen verknüpfen? Wer lediglich analoge Prozesse ins Digitale überführt, schöpft nicht die Möglichkeiten aus, die diese Revolution zu bieten hat.

Es ist daher der richtige Ansatz, dass Oberbürgermeister Andreas Mucke bereits über die Vernetzung digitaler Prozesse nachdenkt. Unter dem Schlagwort „Smart City“ stellt er sich Projekte vor, bei denen Stadt, Wirtschaft und Uni an einem Tisch sitzen. Wie das konkret aussehen könnte? Mucke könnte sich etwa vorstellen, dass die Technologie von Aptiv (früher Delphi) für autonom fahrende Busse der WSW einsetzbar wäre. Oder, dass man die Themen Verkehrslenkung und Schadstoff-Ausstoß miteinander verbindet. Man stelle sich ein integriertes System vor, dass die aktuelle Schadstoffbelastung in der Luft misst und dementsprechend Ampeln und digitale Geschwindigkeitsanzeigen reguliert, um die Werte zu senken.

An diesen Beispielen wird deutlich: Die Digitalisierung einer Stadt geht nicht von heute auf morgen und sie ist nicht nach einer Einmalförderung erledigt. Sie kann nur der Anstoß sein. Mucke hofft, dass bei den Projekten der „Smart City“ eine Co-Finanzierung mit den handelnden Unternehmen möglich sein wird.

Das zweite große Handlungsfeld neben der Smart City werden die Veränderungen innerhalb des Rathauses sein. Für den Bürger kann das mehr Komfort bedeuten. Mittelfristig könnte sich Andreas Mucke vorstellen, dass Bürger etwa die Zulassungsstelle und vielleicht sogar das Einwohnermeldeamt nicht mehr persönlich besuchen müssen. Bei der Sparkasse gibt es schon längst über die Gesichtserkennung einer Smartphone-App die Möglichkeit, ein Konto vom eigenen Sofa aus zu eröffnen. „Warum soll das bei uns nicht gehen?“, fragt Mucke.

Die Stadt hat an der Digitalisierung — und damit Automatisierung — der Verwaltungsprozesse ein ureigenes Interesse. Stadtdirektor Johannes Slawig weiß, dass er damit Personal einsparen kann. Dabei betont der Kämmerer, dass er keine Entlassungen meint. Viel mehr könne die Stadt Stellen für Fachkräfte einsparen, die sie heute auf dem Markt sowieso nicht findet. Auch wenn durch die neuen Prozesse Folgekosten entstehen sollten, Slawig ist sich sicher: „Unterm Strich werden wir so unsere Wirtschaftlichkeit verbessern.“

Die Stadt Wuppertal steht bei diesem großen Transformationsprozess sicherlich noch am Anfang. Zwei Beispiele: Während Steueramt und Jobcenter schon mit elektronischen Akten arbeiten, liegen viele andere Daten, wie etwa die Straßenakten noch in Papierform vor. Allein das Erfassen wird ein eigenes Digitalprojekt für sich.

Beim neuen Kita-Portal im Internet hat die Stadt gezeigt, was passiert, wenn Digitalisierung halbherzig angegangen wird. Entstanden ist eine Software mit einer guten Idee, die aber nutzerunfreundlich umgesetzt wurde. Warum? Das Portal wurde von der Verwaltung „nebenbei“ aufgebaut — kostenarm und pflegeleicht.

Digitalisierung geht aber schwer nebenbei, weil sie komplex ist und oftmals die Abläufe im Kern ändert. Plötzlich müssen Stadtverwaltung und Bürger digital denken und handeln. Der Mensch ist von Natur aber ein Gewohnheitstier und sucht die alten Abläufe im Neuen. Das ist eine Herausforderung, der sich Wuppertal zum Glück als eine der ersten Städte konsequent stellen will.