Podiumsdiskussion „Oft wollen die Menschen auch einfach reden“
Wuppertal · Das Justizzentrum widmete Opfern von Kriminalität einen Thementag und informierte über Hilfsangebote.
Die Opfer von Straftaten rücken zunehmend ins Blickfeld der Justiz. Um das deutlich zu machen, lud Landgerichtspräsidentin Annette Lehmberg zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Justiz – Auch die Opfer gehen uns an!“ ins Justizzentrum ein. Anlass war der Tag des Kriminalitätsopfers. Rund 50 Zuhörer – meist beruflich oder ehrenamtlich mit dem Thema befasst – waren gekommen und nutzten anschließend die Chance, mit Justizvertretern ins Gespräch zu kommen.
Elisabeth Auchter-Mainz wurde im Dezember 2017 zur neu geschaffenen Beauftragten für Opferschutz des Landes NRW ernannt. In einem Einführungsvortrag schilderte sie ihre Erfahrungen und Aufgaben. „Wir sind die zentrale Ansprechstelle für Opfer aller Art“, erklärte sie. Ob häusliche Gewalt, Betrug, Schlägereien oder Verkehrsunfälle – alle Opfer finden in ihrem Büro in Köln ein offenes Ohr. Sie können dort anrufen oder mit Termin vorbeikommen und erhalten dort Hilfe. Wobei das Team aus zwei Staatsanwältinnen, einer Sozialarbeiterin und einer Bürokraft keine Rechtsberatung anbieten kann; aber die Frauen informieren über Fristen und Möglichkeiten im für Laien oft unverständlichen Justizsystem, sie klären über Entschädigungen auf und nennen weitere Anlaufstellen.
„Oft wollen die Menschen auch einfach reden“, erzählte Elisabeth Auchter-Mainz. Manche kommen direkt nach der Straftat zu ihr, andere viele Jahre später. Dabei schilderte sie auch einen Extremfall: Eine über 70-jährige Dame, die als Kind missbraucht wurde. Nie hatte sie Anzeige erstattet oder über die Tat gesprochen. Doch jetzt war ihr wichtig, ihren Fall einer offiziellen Stelle zu schildern – auch wenn die Straftat längst verjährt ist. Weitere wichtige Themen für die Opferschutzstelle sind die Netzwerkarbeit – damit sich verschiedene Helfer gegenseitig kennen – und die Sensibilisierung aller Justizmitarbeiter für die Perspektive der Opfer. So könne es etwa den Opfern sehr helfen, wenn ihr Leid kurz in der Urteilsbegründung gewürdigt werde.
In der Podiumsdiskussion waren sich alle einig, dass ein großes Problem gerade bei Gewalt- und Sexualstraftaten die häufig lange Verfahrensdauer ist, die die Opfer weiter belaste. Neben Elisabeth Auchter-Mainz diskutierten Staatsanwältin Chiara Böttrich (Opferschutzbeauftragte der Staatsanwaltschaft Wuppertal), Rechtsanwältin Julia Rasemann sowie Sozialrätin Barbara Breithaupt (Leiterin des ambulanten Sozialen Dienstes beim Landgericht Wuppertal).
Zeugenbegleitung verhindert vor Gericht Augenkontakt zum Täter
Barbara Breithaupt erklärte, wie ihre Zeugenbegleitung insbesondere Kinder oder Frauen schützt: Sie können in einem Extraraum abgeschirmt auf ihre Aussage warten und dafür gerne auch das Gericht durch einen Nebeneingang betreten. „Wir können die Opfer auch schon während der Ermittlungen begleiten“, sagte sie. Vor Gericht sitze die Betreuerin neben dem Opfer oder sogar zwischen Opfer und Täter, um den direkten Blickkontakt zu verhindern.
Staatsanwältin Chiara Böttrich warb um Verständnis für die Fragen an die Opfer: „Eine umfassende Befragung ist nötig, um eine Verzögerung im Verfahren zu vermeiden.“ Alle hatten die Erfahrung gemacht, dass die Frage: „Warum hat der Täter das getan?“ für viele Opfer im Zentrum steht. „Aber diese Frage lässt sich nicht beantworten“, betonte Anwältin Julia Rasemann. Sie erlebt immer wieder, wie stark die psychischen Folgen von Straftaten das Leben der Opfer verändern. „Eine psychosoziale Prozessbegleitung ist da sehr hilfreich.“ Vieles sei schon besser geworden, zahlreiche Schulungen der Justizmitarbeiter hätten einiges bewirkt. Nur die mangelnden personellen Ressourcen seien häufig ein Problem, waren sich alle einig. Denn neben schnelleren Verfahren seien auch noch mehr Anlaufstellen für Opfer, mehr Transparenz und ein standardisiertes Konzept nötig.