Ein Tag Werkbank statt Schulbank

150 Achtklässler der Gesamtschule am Katernberg rollten Teig und drehten Locken. So bekamen sie ein Gefühl für praktische Berufe.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Moritz dreht einen Lockenwickler ins Haar des Puppenkopfes vor ihm. Ganz vorsichtig, so als würde er gerade eine Rinderroulade bearbeiten. „Das ist schwerer als man so denkt“, sagt der 13-Jährige und begutachtet, was er und sein Klassenkamerad Ben (14) mit ihrer körperlosen Kundin gemacht haben. Er scherzt: „Ich denke, da müssen wir mit dem Preis runtergehen.“

Einen kleinen praktischen Einblick in sieben verschiedene Handwerksberufe erhielten am Donnerstag 150 Achtklässler der Gesamtschule Uellendahl-Katernberg. Dafür nahmen sich insgesamt 21 Handwerker der Kreishandwerkerschaft Solingen-Wuppertal unter dem Motto „Schulbank trifft Werkbank“ viel Zeit für die Jugendlichen, um ihnen Berufe wie Tischler, Maler und Elektroniker näher zu bringen. Ganz wichtig: Bei der Aktion, die Teil der gemeinsamen Azubi-Kampagne von Kreishandwerkerschaft und WZ ist, durften die Schüler selber mitanpacken.

Das Handwerk hat Zukunft

So etwa im nächsten Raum, wo es statt nach angebrannten Haaren nach frischen Quarkbällchen riecht. Dort lässt Wuppertaler Bäckermeister Dirk Polick seine 15-Minuten-Azubis aus einem Klumpen Teig eine Bretzel oder einen Butterzopf formen. Während die Jugendlichen mehr oder weniger ansehnliches Gebäck produzieren, wirbt Polick fürs Handwerk, das bei jungen Leuten immer unbeliebter wird. „Bei uns steht der Mensch im Fokus.“ Und er empfiehlt den jungen Leuten: „Macht später das, was euch Spaß macht, wo es euch kitzelt.“

Melik scheint die praktische Arbeit gepackt zu haben. „Ich will später auf jeden Fall etwas mit meinen Händen machen und nicht im Büro sitzen und den ganzen Tag telefonieren“, sagt der 15-Jährige. Besonders spannend fand er die Station der Kfz-Mechatroniker, die Verbrennungsmotoren in die Schule mitgebracht haben.

Bastian (15) bearbeitet bereits ziemlich gekonnt den Teig. Er hat schon ein Praktikum in einem Restaurant gemacht und kocht auch privat gerne. Trotzdem — Koch möchte er nicht werden. „Mir gefallen die Arbeitszeiten nichts so“, sagt er. Genau an dieser Stelle hakt Bäcker Polick gerne ein und berichtet jungen Leute von der anderen Seite: „Viele finden es toll, wenn sie in der Woche tagsüber frei haben.“

Auch Friseur-Gesellin Vanessa Lueg (24) versucht, Vorurteile über ihren Beruf aus dem Weg zu räumen. Bei den Fragerunden die zwischen den praktischen Einheiten anstanden sei die Frage Nr. 1 gewesen: „Wie viel verdient man denn?“ Viele Jugendliche vermuteten, dass die Antwort nicht berauschend ist. „Dabei haben die Schüler nicht im Blick, welche Möglichkeiten man nach der Ausbildung hat. Viele wissen auch nicht, das man durch den Meister ein vollständiges Abi in der Tasche hat“, sagt Lueg.

Sophie (15) hält ihr Schulheft fest umklammert, als sie auf Bäcker Polick zugeht: „Kann man bei Ihnen auch ein Praktikum machen?“ Von diesen Anfragen hat der Meister heute eine Hand voll bekommen. Das sei genau das Ziel: diejenigen, die Interesse zeigen „anzufixen“ und Kontakte zu den Handwerkern von Morgen zu knüpfen. Polick sagt: „Die jungen Leute kommen nicht mehr zu uns, wir müssen zu ihnen kommen.“

Für Sascha Bomann, Ausbildungsleiter der Kreishandwerkerschaft, war der Aktionstag ein voller Erfolg. Erstmals kamen Handwerker und Schüler in Workshops zusammen — das Konzept ging auf: „Die Schüler waren super interessiert und bestens vorbereitet.“ Er war auch über die ruhige Arbeitsatmosphäre positiv überrascht. Das zeigt immer: Gerade ist es spannend.