Natur Eine Nacht mit den Fledermäusen

Experte Frank Todt und die Paddler Gilde machen sich mit Gästen auf die Suche nach den Flugkünstlern über dem Beyenburger Stausee.

Foto: Bartsch,G. (b13)(Bartsch,G. (22345678))

Von Martin Juhre

Der Abend bricht herein am Stausee. Noch flitzen die Schwalben auf Mückenjagd hin und her. Ein leichter Wind kräuselt das Wasser, Enten schnattern, ein paar Gänse sind unterwegs. Zwei Schwäne gleiten durchs Wasser, sie lassen sich nicht stören von dem, was da am Heim der Paddler Gilde passiert: 20 Gäste tragen ein Drachenboot zum Steg, zehn auf jeder Seite. Nochmal 20 schauen ihnen zu, sie werden gleich das zweite Boot übernehmen. Über eine Rolle wird das erste Boot zu Wasser gelassen. Dann steigen nach und nach alle ein - und ja, es schwankt, wie Michael Tscherniewski von der Paddler Gilde gesagt hat. „Nicht alle zugleich nach einer Seite beugen, wenn es was zu sehen gibt“, hatte er gesagt. „Das wäre nicht gut.“ Sein Kollege Frank Faulenbach übernimmt das Steuerruder von Boot eins. „Eins, zwei, drei, vier …“, gibt er den Takt an, die Paddel tauchen ein. Die Expedition Wuppertaler Fledermausnacht hat begonnen.

Noch sieht es so aus, als würde Faulenbachs neue Mannschaft seinen Takt als unverbindlichen Vorschlag betrachten. Auch wenn das Rhythmusgefühl nach und nach besser wird, es bleiben 20 Individualisten, die da paddeln. Dem Spaß tut das keinen Abbruch. Vor der Staumauer wird auf das zweite Boot gewartet. Die Sonne ist untergegangen, das Wasser ist ganz glatt geworden, Stille. Das zweite Boot nähert sich, Tscherniewski am Steuerruder, „eins, zwei, drei, vier…“, kommt längsseits. Jetzt können alle den Fledermausexperten Frank Todt vom Nabu hören: „So viele Menschen, wir bilden jetzt eine Wärmeblase. Das lockt die Mücken an, und auf die machen die Fledermäuse Jagd.“

Er holt einen Fledermausdetektor hervor, der fängt den Ultraschall auf und macht ihn für Menschen hörbar. Tatsächlich, sie sind da. Aber sehen kann man sie noch nicht. Paddel raus und zur Eisenbahnbrücke, „eins, zwei, drei, vier…“ Dort stehen schon andere Beobachter am Ufer. In Todts Lampenkegel sieht man die erste Fledermäuse. „Das sind Zwergfledermäuse“, sagt er. An Land hatte er schon viel über Fledermäuse erzählt. 11 000 verschiedene gibt es weltweit, die kleinste mal zwei Gramm leicht, die größte mit einer Spannweite von 1,80 Meter. 48 leben in Europa, in Deutschland 26.

Todt: „Mit den wärmeren Temperaturen hat die Mittelmeerhufnase den Sprung über die Alpen geschafft.“ Er hat von ihrem Leben erzählt, dass viele in alten Gemäuern und Höhlen wohnen, was ihnen in der Kulturlandschaft das Leben schwer macht, wie man ihnen helfen kann, zu überleben. Und dass jetzt die beste Zeit ist, viele zu sehen. Weil die Jungtiere schon mitfliegen und die alten wieder auf Brautschau sind.

Weiter geht es, unter überhängenden Bäumen durch, aufs offene Wasser. Und auf einmal sind sie überall - kreuz und quer schießen sie durch den Lichtkegel. Todt: „Das sind Wasserfledermäuse.“ Einige nehmen im Flug etwas Wasser auf. Was das fliegerische Können anbelangt, steht die Nachtschicht den Schwalben vom Tag in nichts nach. Ab und zu sieht man auch über dem Boot eine Wasserfledermaus gegen den Himmel. Der volle Mond ist hinter den Wolken hervor gekommen, Sterne funkeln. Bis zurück zum Bootshaus sieht man die Flugkünstler über dem Stausee. Völlig geräuschlos sind sie dabei.

Geräusche machen jetzt wieder die Menschen: „Eins, zwei, drei, vier…“ Am Bootssteg steigen sie aus, wieder einer nach dem anderen. Keinen Mückenstich haben sie mitgebracht. Dafür faszinierende Eindrücke einer Seite der Welt, die tagaktiven Wesen oft genug verschlossen bleibt.