Elberfelder Angriff: Flucht durch den Feuersturm
In der Nacht auf den 25. Juni 1943 folgte dem Barmer der Elberfelder Angriff. Die Erinnerung auch daran spricht für sich.
Wuppertal. Er gehörte Zeit seines Lebens zu den bekanntesten Wuppertalern, die den Bombenkrieg 1943 in ihrer Heimatstadt erlebt haben — und über ihn sprachen: „Bestimmte Erinnerungen bleiben“, brachte es Johannes Rau 1993 für sich auf den Punkt, als der spätere Bundespräsident das Entsetzen nach dem Barmer Angriff beschrieb. „Ich weiß noch, dass wir als Kinder einen oder zwei Tage später in die Stadt gingen; es fuhr ja keine Straßenbahn. Oben auf der Sedanstraße lag der Konsum. Das sind wir hin, und da lagen Stapel von Leichen.“
In Herbert Pogts Sammelband „Bomben auf Wuppertal“ wurde Rau noch konkreter: „Das waren schreckliche Bilder. Zum Teil hatten die Körper keine menschliche Größe mehr. Man kann das wirklich nicht beschreiben.“ Selbst viele Jahre später hatte Rau dieses Motiv vor Augen: Fußspuren Flüchtender, die sich in den Asphalt gedrückt hatten.
Dem Barmer Feuersturm vom 30. Mai 1943 folgte keinen Monat später, in der Nacht auf den 25. Juni, der Elberfelder. Hannelore Hippler aus der Gernotstraße gehört zu den WZ-Lesern, die der Redaktion in den vergangenen Wochen persönliche Erinnerungen an die Bombenangriffe auf Wuppertal geschickt haben. „Irgendwann ist jeder Schrecken ganz normal“, schreibt die Wuppertalerin, Jahrgang 1932.
Und sie erinnert sich an die Flucht während des Elberfelder Angriffs: „Das Haus schwankte und bebte, der Lärm war unbeschreiblich. Wir waren viele Kinder. Zwischen den Häusern gab es einen Durchbruch. Als unser Haus einzustürzen drohte, schlugen Mitbewohner den Durchbruch ein, und alle krabbelten in den nächsten Keller. Es waren bestimmt 50 Personen.“
Und später? „Mein Vater ging auf den Speicher und fand eine Brandbombe. Er nahm sie einfach und warf sie aus dem Dachfenster. Dann sah ich aus dem Fenster auf die Stadt herunter. Die Laurentiuskirche brannte, und als ich noch hinsah, stürzten die Türme in sich zusammen, und die Flammen schlugen zum Himmel. Ich war elf Jahre alt und ich dachte: Die Hölle tut sich auf und verschluckt alle Menschen, weil sie so böse sind.“
Günter Konrad gehört zu den Wuppertalern, die an die Zerstörungen im Wuppertaler Süden erinnern. „Gleichzeitig mit Barmen wurde in der Nacht vom 29. zum 30 Mai 1943 auch Ronsdorf zerstört.“ Er beschreibt die Zeit des Angriffs als „55 Minuten des Grauens“, dem ein Flammeninferno folgte. Gelöscht wurde mit nassen Decken und Eimern, wobei die Feuerwehr mangels Wasser hilflos mit zusehen musste, wie viele Häuser zerstört wurden.
„Erst Tage später, nachdem die Gluthitze über den Ruinen etwas abgeklungen war, konnte man daran gehen, die Leichen der verbrannten Menschen, die sich nicht mehr vor den Flammen retten konnten, aus den Trümmern zu bergen. Auch mir blieb der Anblick dieser Toten nicht erspart, ein Bild, das mich bis heute nicht losgelassen hat.“
Ellen Gebel erlebte das Chaos als Sechsjährige, am Oberwall in Heckinghausen. „Im Nachbarhaus hat eine Frau zur gleichen Zeit im Keller entbunden. Unsere Verwandten waren plötzlich ohne jede Unterkunft, denn Heckinghausen brannte lichterloh.“
Auch Fritz Richter hat eine deutliche Erinnerung an den Bombenkrieg, auch wenn er damals noch nicht in Wuppertal wohnte: Bei einem Ausflug auf einem Saaledampfer nach Wettin begegnete ihm eine Mutter mit zwei taubstummen Mädchen, die aus dem Bergischen Land evakuiert worden waren. „Die Mutter berichtete von einem verheerenden Bombenangriff und einer furchtbaren Feuersbrunst“, erinnert er sich. „Menschen seien wie brennende Fackeln in die Wupper gesprungen, andere im Teer der Straßen stecken geblieben.“ Richter, er lebt seit 1954 in Wuppertal, beschreibt das als „tief prägend.“
Alois Kreß war zehn Jahre alt, als er am 24. Juni den Angriff erlebte, damals am Bendahl wohnend. Eine Phosporbombe ließ das Haus ausbrennen. „Solange es möglich war, blieben wir im Keller, mussten es dann doch verlassen und liefen durch den Feuersturm in Freibad“, erinnert er sich. „Die Bilder von toten und verletzt schreienden Menschen, die vor uns dorthin gelaufen sind, werde ich bis heute nicht los.“
Ergreifendes berichtet Armin Pertz, Jahrgang 1930: Er machte sich nach dem Angriff vormittags auf den Weg, um seine Großeltern in der Gewerbschulstraße zu finden. „Ihr Haus war ein Trümmerhaufen. Erst später erfuhren wir, dass mein Großvater der einzige Überlebende und die gesamte Hausgemeinschaft ums Leben gekommen war.“
Auch Klaus Ditzel vom Dellbusch hat der WZ Erinnerungen geschickt — im Rückgriff auf die Erzählungen seiner Eltern und seiner Schwester: „Im Nachhinein ist mir das noch einmal mächtig unter die Haut gegangen.“ Ditzel war damals gerade mal sieben Monate alt.
Auch das Haus dieser Familie stand nach einem Bombentreffer in Flammen. Es blieb nur die Flucht in den Garten und von dort aus in die Wupper. Das Stahltor zum Fluss war abgesperrt und wurde aus den Angeln gerissen. „So mussten die ans Wupperufer gelangten Hausbewohner mit ansehen, wie eine Reihe von Männern, Frauen und Kindern, wie auch die Feuerwehr, auf der gegenüberliegenden Hauptstraße im glühenden Asphalt stecken blieben und bei lebendigem Leib verbrannten. Traumatische Erlebnisse, die meinen Eltern und meiner damals 13-jährigen Schwester ein Leben lang in Erinnerung blieben.“